![]() |
Dieser E-Scooter scheiterte bei dem Versuch, in einer neuen Braunschweiger Straßenbahn mitzufahren: Er war zu groß |
Eine frühere Ablehnung des Antrags war durch das Oberlandesgericht (OLG) aufgehoben und zur Neuverhandlung an das Landgericht zurück verwiesen worden. Das OLG hatte bemängelt, dass ein früheres Gutachten, das Grundlage der ersten Entscheidung war, "zu oberflächlich" gewesen sei. Die Befürworter einer Mitnahme von Scootern im Bus hatten deshalb mit einer Entscheidung zu ihren Gunsten bei der heutigen Verhandlung gerechnet.
Aber auch die heutige Verhandlung endete mit einer Ablehnung des Antrags des Selbsthilfeverbandes und mit der Bestätigung des E-Scooter-Mitnahmeverbots. In der Begründung nahm der Vorsitzende Richter Kai Sawatzki ausdrücklich Bezug auf die in diesem Monat veröffentlichte neue Studie in Sachen "E-Scooter-Transport in Bussen". Auf diese Studie hatten sowohl die "Scooter-Fraktion" unter den Behinderten als auch die Verkehrsgesellschaften im gesamten Bundesgebiet und Rollstuhlfahrer von sowohl manuellen als auch elektrisch betriebenen Rollstühlen klassischer Bauweise, deren Mitnahme in Bussen übrigens nicht in Frage gestellt wird, mit Spannung gewartet.
Die DEKRA hatte jetzt Fahrversuche mit E-Scootern in Bussen für die neue Studie gemacht und dabei die Sicherheitsbedenken ausdrücklich bestätigt. Die Zivilkammer hatte jetzt abzuwägen zwischen dem Rechtsanspruch von Behinderten auf Gleichbehandlung und dem Sicherheitsbedürfnis aller Fahrgäste, begründete der Vorsitzende Richter Kai Sawatzki die Entscheidung. Zwar sei der grundsätzliche Beförderungsanspruch sowohl im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz als auch in einer EU-Verordnung verankert. Der Anspruch müsse in diesem Fall jedoch hinter der Gefahrenabwehr zurückstehen.
Das Kieler Gericht zog für sein heutiges Urteil ausserdem eine Entscheidung des Hamburger Oberlandesgerichts um einen E-Scooter-Unfall in einem Linienbus vom Mai 2009 heran. In diesem Fall war ein im Bus beförderter Scooter in einer Linkskurve ins Rutschen geraten. Sein Besitzer verletzte sich beim Versuch, das ausbrechende Gefährt festzuhalten.
Befürworter des E-Scooter-Transports hatten immer wieder behauptet, dass es bisher noch nie einen durch die im Gegensatz zu "klassischen" Rollstühlen nicht sicher im Bus zu positionierenden Scooter gegeben habe.
Der Selbsthilfeverband kündigte an, er werde auch das heutige Urteil beim Oberlandesgericht anfechten.
JvA
Kommentar |
Sicherheit hat Vorfahrt
Der Versuch, Sicherheitsbedenken gegen die Mitnahme von sperrigen E-Scootern in Bussen mit dem Hinweis auf das Recht auf Gleichbehandlung behinderter Menschen auszuhebeln und vom Richtertisch zu wischen, ist gescheitert. Die heutige Entscheidung des Kieler Landgerichts betrifft zwar "nur" den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung gegen die Kieler Verkehrsgesellschaft; das Urteil gibt aber deutliche Hinweise auf die noch ausstehende Entscheidung des Gerichts im Hauptverfahren: Es ist nicht damit zu rechnen, dass Richter Sawatzki im entscheidenden Verfahren gegen sein heutiges Urteil entscheidet.
Und: Das Kieler Verfahren hat Modellcharakter. Zwar handelt es sich nicht um ein sogenanntes Grundsatzurteil (das bleibt der Letztinstanz, also dem Bundesgerichtshof oder einemvergleichbaren Gericht vorbehalten). Die "Richtung" weiterer Gerichtsentscheidungen wurde heute aber schon mal vorgegeben.
Und das ist gut so. Es geht nicht um grundsätzliche Behindertenrechte, sondern um Sicherheit. Der Versuch von Behinderten und Senioren (mit und ohne Schwerbehindertenausweis), sich ein Mitnahmerecht für die von ihnen statt der klassischen und sicher im Bus abzustellenden Rollstühle bevorzugten zu erstreiten, ist legitim - aber alles andere als vernünftig.
Zwar wird in vielen Gebrauchsanweisungen von E-Scootern bereits jetzt an sich unübersehbar vorsorglich darauf hingewiesen, dass das jeweilige Modell nicht geeignet zur Mitnahme in Bussen ist. Aber das wird von Käufern, denen die E-Scooter gern von Händlern verkauft und von Krankenkassen bezahlt werden, gern "übersehen".
Gefordert sind jetzt vor allem die Kostenträger, meist die Krankenkassen. Die müssen den Antragstellern, die unbedingt einen E-Scooter statt eines optimal an die Bedürfnisse des jeweiligen behinderten Menschen angepassten Rollstuhls bezahlt haben wollen endlich unmissverständlich klar machen, dass sie sich damit von der Mitfahrt auf dem E-Scooter im Bus ausschließen.
Sicherheit hat Vorfahrt
Jos van Aken