Wäre ich nicht in meinem (fast) perfekt ausgestatteten und sicheren Rollstuhl unterwegs - einfach so oder auch mal mal mitsamt Rollstuhl im Linienbus -, sondern in einem chicen stromlinienförmig oder mit stylistischen Anleihen an Vespa & Co daherrollenden E-Scooter: Dann wäre ich vielleicht stinksauer auf die Richter in Kiel und Münster, die mir die Bustür rechtlich sozusagen vor der Nase zuknallen - und natürlich auf die "bösen behindertenfeinlichen" Nahverkehrsunternehmen. Vielen E-Scooter-Fahrern geht es mit einiger Wahrscheinlichkeit gerade so. Und das hat seinen Grund: ... wenn die Lautesten den Ton angeben ... Wir erleben seit gut einem halben Jahr einen Shitstorm vom Feinsten, angepustet von einzelnen Scooterfahrern, die sich benachteiligt fühlten - und dann mit einer gewissen Hysterie aufgenommen und angefacht von Behindertenverbänden, die sich merkwürdigerweise anstecken ließen von einzelnen Betroffenen - nach dem Motto "Wer am lautesten schreit, für den schreien wir mit" Mitten drin im Hype für die Scooter-Fahrer: Politiker auf den Ministersesseln des Sozial-Ressorts und in Amt und Würden als Behindertenbeauftragte, die allesamt vor allem Chance sahen, Punkte und vor allem Wählerstimmen zu "sichern", wenn sie wie üblich in Stammtischparolen mit einstimmen. Die Sachlichkeit blieb dabei auf der Strecke. Mittlerweile werden die Stimmen in den sozialen Netzwerken leiser, die aus den berechtigten Sicherheitsbedenken der Busbetreiber versucht haben, angebliche Benachteiligungen von behinderten Menschen zu machen. Unabhängige Richter haben jetzt endlich klipp, klar und unmissverständlich nach Prüfung der Tatsachen befunden, dass Sicherheit nun mal Vorfahrt hat. Es ist nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich, dass es in Zukunft auch mal eine Gerichtsentscheidung pro Scooterfahrer geben könnte. Aber das ist wie gesagt eher weniger wahrscheinlich - und würde die jetzt von den Richtern in Kiel und Münster vorgegebene Richtung kaum grundsätzlich auf einen anderen Weg bringen. Umdenken in der Hilfsmittelversorgung Das alles ändert nichts daran, dass von dem Busmitnahmeverbot betroffene behinderte Menschen, denen der Schwerbehindertenausweis plus Wertmarke das Recht auf (fast) unentgeltliche Beförderung im ÖPNV gibt, sich benachteiligt fühlen. Und zwar zu Recht. Wäre ich auch betroffen von dem Mitnahme-Ausschluss wäre ich wie erwähnt auch stinksauer. Aber nicht auf die sicherheitsbewussten Betreiber der Buslinie oder die Richter, die das Scooter-Verbot rechtlich absichern und bestätigen. Mich wundert seit Beginn der E-Scooter-Diskussion, dass die eigentlichen Verursacher des ganzen Schlamassels kaum mal erwähnt werden - und wenn, dann nur am Rande. Als Betroffener würde sich mein Zorn und Protest ganz konkret gegen Sanitätshäuser und sonstige Geschaftlhuber richten, die - wenn schon kein angepasster Rollstuhl gewünscht wird oder zu verkaufen ist, den Rentnern, ob behindert oder nicht, die Scooter mit warmen Worten verscherbeln - ohne zu erwähnen, dass die Busfahrt mit dem chicen E-Motorroller auf drei oder vier Rädern nicht möglich ist. Komplett-Information statt schnellem Euro Einen Nachholbedarf in Sachen Information und Transparenz haben nicht zuletzt auch die Kostenträger,, meist die Krankenkassen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass dort eher schon mal die Kostenübernahme für einen vergleichsweise niedrigpreisigen E-Scooter gewährt wird - und damit die in der Regel um ein Vielfaches teureren gut ausgestatteten Rollstühle mit Preisen zwischen 8.000 und 20.000 Euro außen vor bleiben. Wir als behinderte Menschen sollten eines nicht vergessen: Es geht letztlich um unser gutes Recht auf Teilnahme, das unter anderem durch die in Deutschlannd verbindliche Behindertenrechtekonvention der Vereinten Nationen garantiert wird (oder es zumindest sollte). Und das bedeutet beim die Mobilität ermöglichenden Hilfsmittel eben eher den fahrbaren Untersatz, der uns nicht nur erträglich, sondern vor allem sicher von A nach B bringt - und das sind ganz offensichtlich E-Scooter nicht. Jos van Aken |
Siehe auch chronischLEBEN-Bericht zum Thema:
Der Anfang vom Ende für das "Aus"