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chronischLEBEN-PraxistestSoweit die Akkus tragen ... Realistischer Rollstuhl-Stresstest mit e-fix

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Zwei Akkus unterm Rollstuhl geben mehr Sicherheit
Geht Blogger Jos jetzt unter die (Möchtegern-)Tester? Nicht wirklich. Aber es ist bekanntlich nicht ratsam, blindlings den bunten Prospekten der Hilfsmittel-Hersteller oder den mit Kennermiene verstärkten Versprechungen der Verkäufer im Sanitäts-Fachhandel zu glauben; letztere lassen sich nur ungern als schnöde Verkäufer bezeichnen lassen. Sie treten uns vielmehr vertrauenswürdig-hilfsbereit als Fachberater gegenüber (das sind sie günstigenfalls auch) - nur: auch die wollen nur unser Bestes - und das ist am Ende immer unser Geld.

Voreiliger Vertrauensvorschuss kann sich im Umgang mit den uns angepriesenen Hilfsmitteln später als, sagen wir unbefriedigend herausstellen. Egal, welcher Anbieter gerade die höchsten Rabatte gewährt oder die verlockendsten teuren und immer privat zu zahlenden Extras im Angebot hat: Wir lernen im Beratungsgespräch, mit fröhlichen Bildern sorgenfreier unbeschwerter Behinderter in Prospekten illustriert, das wir so oder so mit Technik unterwegs sein werden, die begeistert, die uns im Rollstuhl mit E-Antrieb eine so gut wie heile Behinderten-Welt beschert.

Was so ein sowohl die Etats der von uns finanzierten Krankenkassen als auch unser Girokonto arg strapazierender chicer Rollstuhl oder die HighEnd-Motoren, die sie antreiben, wirklich taugt, zeigt sich erst im Alltag, vor allem, wenn wir die Hilfsmittel und ihre uns die Teilhabe am Leben erleichternden Features echt bis an ihre - vor der Beschaffung - versprochenen Grenzen fordert.

Datenblätter sind nun einmal genau so geduldig, was den Vergleich mit der Alltagsrealität betrifft wie die schwammigen Euphemismen der Berater, die allenfalls vorsichtig die im Labor gemessenen Maximalwerte relativieren. Und ehrlich gesagt halte ich nur begrenzt etwas von "unabhängigen" Verbrauchertests. Die sind durchaus wichtig - vorausgesetzt, sie wurden tatsächlich von Fachleuten erstellt, die wirklich unabhängig von Hersteller oder vom Handel sind. Aber kaum ein testender Experte - und sei er noch so "neutral" - kann wissen, was gerade für uns wichtig ist: Das ist von Mensch zu Mensch, der auf so ein Hilfsmittel angewiesen ist, ganz unterschiedlich.

   Experten testen gern - aber für wen?   

Dennoch stöbere ich natürlich wie wir alle in solchen Erfahrungsberichten und Tests: Sie geben mir erste Hinweise auf die Tauglichkeit eines Produkts für mich. Ich stelle aber einigermaßen ernüchtert immer wieder fest, dass die testenden Experten zwar jede Menge Wissen haben, aber dann doch wieder mit der oder jener Firma fest verbandelt ist - leider wird das zu oft verschleiert.

Wenn ich selbst mir hin und wieder Hilfsmittel genauer anschaue in meinem Alltag - und meine Eindrücke zum Beispiel hier im Blog chronischLEBEN oder Facebook-Gruppen für behinderte Menschen zusammenfasse, dann ist das zwar weitestgehend "unabhängig", weil niemand mich dafür bezahlt oder mich mit (Dauer-)Leihgaben ködert. Aber das, was ich so erlebe und manchmal sogar überlebe mit mit diversen Hilfsmitteln (ein gerätebedingter Unfall hätte bös ausgehen können), das gilt in erster Linie nur für mich selbst. Andere haben mit Sicherheit ganz andere Ansprüche zum Beispiel an ihren Rollstuhl oder Antrieb, und sie nutzen die Hilfsmittel ganz individuell. Was mir wichtig ist, kann anderen völlig nebensächlich sein - und umgekehrt.

Auch dieser "Akku-Test" kann mit Sicherheit das Experten-Wissen über Technik nicht ersetzen. Technisch bin ich nämlich eine ziemliche Nullnummer. Es geht ausschließlich um meine ganz persönlichen Erfahrungen dieses - neben anderen technischen Finessen - wichtigen Bestandteils des Systems, das den "Stoff" liefert,,der meinen Falt-Aktivrollstuhl antreibt, lenkt und bremst, wenn ich an einem Joystick "rudere".

Zugegeben, aktives sportliches Rollstuhlfahren geht anders. Aber wenn ich längere Strecken (mehr als das unbeschwerte Rollen durch den Supermarkt) vor mir habe, lasse ich den leichten Starrrahmen-Aktiv-Rollstuhl mit "Handbetrieb" ohne Bedauern zuhause und fahre bequem und mit der Hand am Joystick in meinem Aktiv-Falter, der von e-fix-Rädern angetrieben wird.

Eine der zentralen Fragen, die sich bei der Entscheidung für so einen relativ leichten faltbaren Rollstuhl, der sich mitsamt dem zusätzlichen Elektroantrieb auch im Kofferraum eines älteren VW-Polo verstauen und doch Platz für Einkäufe und sonstiges lässt, ist die nach der Stromversorgung. Der dumme Spruch: "Bei mir kommt der Strom aus der Steckdose" ist da weniger hilfreich (wer hat schon eine Steckdose in der Hosentasche ...)

   Bei mir kommt der Strom (nicht) aus der Steckdose ...   


Es geht also um das viel diskutierte Thema "Die Hassliebe zum Akku - oder: Soweit die Akkus tragen". Stolze Kutscher beiderlei Geschlechts, die mit monströsen, aber richtig bequemen, großen und gut gefederten Rollstühlen souverän durch Straßen und übers Gelände cruisen, ohne weiter Gedanken an die Eignung des Untergrunds, auf dem sie unterwegs sind, verschwenden zu müssen, grübeln selten über die Ausdauer der mobilen Stromversorgung ihrer rollenden Hilfsmittel - oder nur dann, wenn auch ihr Akku irgendwann leer ist wie ein Weinfass nach einer pompösen trinkfreudigen Hochzeitsfeier.

Dieser dann allerdings einigermaßen katastrophale Zustand wird bei besagten großen schweren E-Rollstühlen in der Regel aber frühestens nach etwa 30 km erreicht. Mittlerweile gibt es stylische Rollstuhl-Segways, die mit neu entwickelten Akkus an die 70-80 km munter dahinrollen, bevor sie an die bereits erwähnte Steckdose müssen.

Für die (trotz der jeweils 9 kg schweren Antriebsrädern) relativ leichten und eher "zierlichen" Aktiv-Rollstühle mit dem beliebten und weit verbreiteten e-fix-Antrieb der Firma Alber stellt sich die bange Frage nach dem irgendwann versagenden, weil "leer gefahrenen" Akku viel früher als bei den massigen E-Rollstühlen. In diesem Zusammenhang: Die neue Version des e-fix, der e35 ist wesentlich leichter: die Räder wiegen jeweils nur noch knapp 8 kg, und der neue Lithium-Ionen Akku des e35 bringt sogar nur noch 2 kg auf die Waage - ein Federgewicht, verglichen mit dem Akku des heute immer noch in den Sanitätshäusern zu sehenden Vorgängermodell e25 (das ich selbst fahre) Da wiegt der Bleigel-Akku satte 9 kg.

   Geschönte Labor-Reichweiten nicht nur ein "dirty trick"  

Wer sich mit der Versorgung mit Zusatzantrieb am Aktiv-Rollstuhl beschäftigt, erfährt bei der Beratung im Sanitätshaus allerdings wenig konkretes. Zwar wird durchaus korrekt darauf hingewiesen, dass es sich bei der in den Prospekten und Datenblättern genannten Reichweite mit dem "kleinen" Standard-Akku von 16 km um sogenannte "Laborwerte" handelt, die nur unter idealen Verhältnissen zu erreichen sind; diese Tatsache steht auch im Kleingedruckten der Prospekte - mehr aber auch nicht. Es ist übrigens nicht unbedingt ein "dirty trick" der Verkaufsstrategen, dass - auch für das neue e-fix-Modell e35 - solche rein statistische Werte für die Akku-Reichweiten genannt werden: Wünschenswert für uns Verbraucher wären aber schon einige zusätzliche Mindestreichweiten für den realen Rollstuhl-Alltag unter verschiedenen Bedingungen

Und diese Bedingungen habe ich mittlerweile gut acht Monate lang Tag für Tag nach dem Motto "testing by rolling" ausgetestet. Im Schnitt bin ich täglich drei bis vier Stunden im Rollstuhl unterwegs, teils im Bus, teils selbst fahrend (zu Hause bin ich nicht auf den Rollstuhl angewiesen, da ich einige Meter noch laufen kann). Mit 103 kg bringe ich deutlich mehr auf die Waage und in den Rollstuhl als der Fliegengewicht-Mustermensch mit lächerlichen 70 kg, die für die offiziell genannten Werte des Herstellers herhalten mussten.

Meine Raststelle beim Akku-Dauertest. Pause nach etwa der halben Strecke in einem "Baumhaus"
Zunächst der Akku-Stresstest im (nicht ständig unterbrochenen) Dauerbetrieb bei Höchstgeschwindigkeit (6 km/h) - ein Ausflug über die Distanz von (zunächst geschätzt 12 km in eines der schönste Naherholungsgebiete meiner Heimatstadt Braunschweig - an und um die Riddagshäuser Teiche, wo bereits im Mittelalter Zisterzienser-Mönche Karpfen züchteten. Vor allem wollte ich wissen, was der Akku meines e-fix nach ca. 8 Monaten täglichem Einsatz noch so drauf hat (oder eigentlich: drin hat)

Mit dem Testergebnis bin ich zufrieden. Die Strecke war mit so ziemlich allen denkbaren positiven wie eher akkubelastenden Untergründen gespickt - vom Gehweg mit Platten über Waldwege bis hin zu steinigem Holper-Untergrund, mit Steigungen und Gefällstrecken (die wieder ein wenig Strom in den Akku speisen).

Dazu dann doch viele, eigentlich nicht geplante Pausen mit Anfahren und Anhalten. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Der letzte Balken auf der Akkuanzeige verabschiedete sich erst nach mehr als 12 km. Unter nervendem Alarmpiepen war es aber kein Problem, den noch fehlenden knappen Kilometer bis zur häuslichen Steckdose per Joystick anzusteuern.

Übrigens hatte ich sicherheitshalber meinen zweiten Akku (der allerdings nicht mehr gar so gut drauf ist) hinten unterm Rollstuhl hängen; aber: Ich brauchte ihn dann doch nicht.

Diese Testfahrt kann man nicht verallgemeinern. Es ist wichtig, solche Praxiserfahrungen differenziert zu sehen. Zum einen haben wir gerade mit sommerlichen Temperaturen von. über20 Grad Celsius geradezu "paradiesische" Verhältnisse für Akkus (endlich). Die haben es nämlich gerne mollig warm.

   Akkus mögen es kuschelwarm - Leistungseinbruch bei Frost   

Bei Minustemperaturen im Winter müssen wir immer damit rechnen, dass eine Akkuladung (geschätzt) ein Drittel weniger lang hält. Ich erinnere mich aber daran, dass mein damals gerade mal wenige Wochen alter e-fix-Akku mich am 2. Weihnachtstag bei Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt immerhin elf Kilometer weit brachte - teilweise in schwierigem Gelände, allerdings ohne viele Zwischenstopps und/oder häufiges Bremsen/Beschleunigen (das verkürzt nämlich die Reichweite zum Teil auch erheblich - dazu später mehr). Die, ehrlich gesagt, nicht von mir erwartete Reichweite zu Weihnachten bei Frost war allerdings kein verspätetes Geschenk zum Fest - es lag einfach daran, dass der Akku so gut wie neu war.

Denn Akkus haben - wie wir selbst auch - eine mehr oder weniger begrenzte Lebenserwartung. Während für die neuen leichten Lithium-Ionen-Akkus des e-fix e25/35 immerhin eine Garantie von 24 Monaten gegeben wird, berichten Rollstuhlfahrer, die sehr viel und sehr weit unterwegs sind mit älteren Modellen wie dem e25 oder gar e20, dass schon nach acht Monaten ein Akku-Wechsel nötig wurde. Ich selbst mache die Erfahrung, dass der Akku meines e-fix auch nach acht Monaten noch die erwähnte recht passable Leistung bringt.

Zum anderen schwanken die Akku-Durchhaltquoten je nach Fahrweise (und bekanntlich Untergrund) sehr stark. Ein (Extrem-)Beispiel: Vor ein paar Wochen war ich mit meiner Frau in Hannover auf dem extrem kopfsteingepflasterten Steintor-Platz zu einem "Stoffmarkt" unterwegs und nutzte anschließend die Gelegenheit, wieder einmal einen der schönsten Botanischen Gärten Deutschlands, den Berggarten in Hannover-Herrenhausen, in Ruhe zu erkunden. Für den Akku bedeuteten sowohl das rollstuhlunfreundliche hohe Kopfsteinpflaster des Steintor-Platzes als auch die zum Teil recht unebenen und weichen Wege im Berggarten Stress pur. Zu den alles andere als Reichweiten fördernden Rollflächen kam bei beiden "Locations" das ungünstige ständige "Stop and Go", weil wir alle paar Meter anhielten.

Da war der Akku am Abend nach gerade mal 6 Kilometern fast leer (nur noch ein Balken in der Ladeanzeige) - und dann ist es schon sehr beruhigend, einen zweiten Akku zur Reserve unter dem Rollstuhl hängen zu haben - die zusätzlichen weiteren 9 kg sind das kleinere Übel.

   Boxenstopp - besser mit Assistenz   

Gefragt wurde ich in einer Facebook-Gruppe, wie behindertenfreundlich ein zweiter Akku unter dem e-fix zu handhaben ist - vor allem: Ob man den Akku im Rollstuhl sitzend wechseln kann.

Leider ist das kaum möglich. Wer also nicht noch ein wenig beweglich ist und auch damit zurecht kommt, in der Hocke mit einer gehörigen Portion an Feinmotorik tätig zu werden, ist für den Akkuwechsel unterwegs auf Assistenz angewiesen.

Ich muss beim e-fix zwar lediglich den Stecker am Verbindungskabel zum Bediengerät und den e-fix-Motoren vom vorne eingehängten Akku auf den zweiten umstecken, der hinter der Achse montiert ist. Möglich, dass das mit akrobatischen Verrenkungen machbar ist - allerdings versperren die e-fix-Räder den Zugriff.

Ich selbst kann wie erwähnt noch aufstehen aus dem Rollstuhl, und bocke für den Akkuwechsel den Rolli mithilfe der beim e-fix obligatorischen Kippsperren auf. Dann ziehe ein Rad ab und stecke das Kabel um. Auch für mich bedeutet das eine Strapaze, bei der ich ausnahmsweise gerne Hilfe in Anspruch nehme (falls greifbar).

Aber das ist immer noch besser, als mit leer genudeltem Akku und einem dummen Gesicht in der Botanik rumstehen (oder sich schieben lassen bei ausgekoppeltem Antrieb).

Jos van Aken


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