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Kortison-Therapie bei Hörsturz: Keinerlei Effekt Nutzt mehr dem Arzt als den Patienten:Schon wieder ein IGel als allzu zu harmlos enttarnt

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Alle kennen ihn, alle mögen ihn (bis auf seine Lieblingsspeise, die Ringelwürmer): Der Igel ist ein stachliger Gesell, den wohl jeder gern hat. Die nur ein wenig anders geschriebenen IGeL dagegen sorgen immer wieder für Ärger. Es geht um die zwischen anbietenden Ärzten einerseits sowie Verbraucherschutz und kritischen Medizinern auf der anderen Seite kontrovers diskutierten "Individuellen Gesundheitsleistungen" (kurz IGeL). Einem solche IGeL, der angeblich zumindest für Milderung bei Hörsturz sogen sollte, wurde jetzt ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die von den Patienten aus eigener Tasche zu bezahlenden "Extras" werden immer wieder verdächtigt, neben dem Extra-Gewinn für den kassierenden Arzt kaum oder sogar keine Extras an gesundheitlichem Nutzen für die zahlenden Patienten zu bringen. Jetzt wurde wieder so ein(e) IGeL "enttarnt":


   Vorsichtig umschrieben: "Tendenziell negativ"  

Das bei vielen Erkrankungen nützliche Kortison zeige bei der als Selbstzahlerleistung angebotenen "systemischen Glukokortikoid-Gabe beim Hörsturz" keinerlei Effekt; zu diesem vernichtenden Urteil kommt der von den Medizinischen Diensten der Krankenkassen (MDS) herausgegebene IGeL- Monitor. Insgesamt bewertet der IGeL-Monitor "Glukokortikoide beim Hörsturz" deshalb als "tendenziell negativ".

Dieses Ergebnis der Untersuchungen der medizinischen Experten der gesetzlichen Krankenkassen dürfte für neuen Ärger bei Ärzten führen, die weiterhin pauschal behaupten, die Selbstzahlerleistungen seien sinnvoll. Der frühere Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, der Münchner Internist und Gastroenrologe Dr. Axel Munte, vertritt zum Beispiel vehement die Pro-IGeL-Meinung, dass die Gesetzliche Krankenversicherung überhaupt "keine Optimalversorgung gewährleisten“ könne. Die Ergänzung der von den Krankenkassen bezahlten ärztlichen Leistungen durch IGeL sei deshalb sinnvoll.


   Intransparent und entbehrlich   

Zu einer ganz anderen Einschätzung kommt dagegen der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin Johannes Köbberling. Er bezeichnet IGeL als „intransparentes Gemisch entbehrlicher Leistungen“, das "eine Medikalisierung und Überdiagnostik" fördere.

Der Verbraucherschützer Wolfgang Schuldzinski von der Verbraucherzentrale NRW nennt die meisten der Zusatzangebote entweder als „nicht zwingend erforderlich“, „schlicht überflüssig“ oder gar „medizinisch fragwürdig“. Aus Sicht der Verbraucherzentrale ist es besonders ärgerlich, wenn Ärzte sich das "Nein" des Verbrauchers zu einer IGeL schriftlich bestätigen lassen, angeblich um sich von Haftungsrisiken freizustellen.

Solche Formulare seien rechtlich nicht haltbar, indirekte Verkaufsstrategien und für Patienten mit erheblichem Druck verbunden. Der Verbraucherschützer warnt eindringlich davor, solche Formulare auch nur zu unterschreiben.


  "Angemessene Bedenkzeit"  

Mittlerweile hat zumindest die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als oberste Standesorganisation der niedergelassenen Ärzte zumindest eine gewisse Mäßigung der IGeL-Kollegen angemahnt. Nachdem zwei von der KBV in Auftrag gegebene Umfragen zum Ergebnis kam, dass Patienten sich durch die ihnen regelrecht "aufgedrängten" teuren IGeL-Angebote unter Zeitdruck überrumpelt fühlten, mahnte der KBV-Chef "mehr Zurückhaltung an. Andreas Köhler, der damalige Vorstandsvorsitzende der KBV, sprach sich nicht gegen das Selbstzahler-Modell mit dem Einkommensplus für seine Kollegen aus.

Unter dem nicht mehr zu leugnenden öffentlichen Druck riet er aber den IGeL anbietenden Ärzten, sie sollten ihren Patienten Gelegenheit geben, die Angebote gründlich zu prüfen. Dazu sei eine angemessene Bedenkzeit notwendig. Keinesfalls dürfe der Arzt darauf bestehen, dass der Patient sich gleich im Anschluss an die Untersuchung oder medizinische Beratung entscheiden muss. Ob die mahnenden Worte des Ex-KBV-Vorstandsvoritzenden Köhler Wirkung zeigten ist bisher nicht bekannt.

JvA


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