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Die Lotusblüte repräsentiert in der ayurvedischen "Heils"lehre das reine "Selbst" - das unsterbliche, unbeschmutzbare Göttliche in uns. |

Haben Sie eigentlich heute schon geschworen? Worauf? Nein, ich meine nicht die Bibel oder worauf man (und frau auch) gemeinhin schwört in US-amerikanischen Gerichtsdramen zum Beispiel (Bayern halten bei diesen Beschwörungen übrigens sicherheitshalber die andere Hand hinter dem Rücken versteckt, Zeige-und Mittelfinger gen Boden gestreckt - damit ein Meineid keinen Schaden hat, sondern abgeleitet wird. Kluge Leute, diese Bajuwaren!).
Aber ich bin sicher, einige unter uns schwören tagtäglich. Und ich nehme Sie zum Schwur jetzt nicht mit in Gerichtssäle, sondern eher in die Wartezimmer der Ärzte, in Cafés mit einladenden Tortenbuffets oder einfach ins heimische Kaffeekränzchen. Aber auch gewisse Internetforen wären der rechte Ort, um das Geheimnis des von mir gemeinten Schwurs aufzudecken. Überall dort treffen sich Damen jeglichen Geschlechts und meist im besten Alter - und schwören, dass sogar der aus dem gleichnamigen Rührdrama berüchtigte Meineidbauer vor Neid erblassen würde unter der wettergegerbten runzligen Haut.
Der (unheilige) Schwur bei Kaffee und Kuchen
Was gibt es denn dort nur zu (be)schwören? Niemand hat die Damen zum hochnotpeinlichen Kreuzverhör als Zeugen oder gar als Angeklagte geladen. Wobei ich es übrigens ganz lustig fände, wenn Prozesse in meinem Lieblingscafé stattfänden bei Kaffee und Kuchen. Nein, in den erwähnten gesprächigen Runden wird einfach "nur so" geschworen - dafür aber mit mimischem und rhetorischem Talent.
Und worauf da geschworen wird, ist eigentlich ziemlich egal. Aber es geht (wenn nicht gerade um den letzten frisch erworbenen Liebhaber) immer nur um EINS: Die Gesundheit - oder vielmehr deren Abwesenheit. Auf Schulmedizin schwören dabei die wenigsten - das ist so langweilig; es sei denn, ein junger, mit allen begehrenswerten maskulinen Attributen versehener Mediziner kommt mit seiner Praxis gerade in Mode: Da schwört man gern drauf - und darf auch noch mehr oder weniger feucht träumen.
Weil aber auch die knackigen Jungärzte meist keine Zeit haben, sich die zeitraubende Lebensgeschichte ihrer Patientinnen stundenlang geduldig und - sowohl bedächtig als auch zustimmend - mit dem Kopf nickend anzuhören, sondern immer nur "das Übliche" auf dem Rezeptblock verschreiben - hat das mit dem "Ich schwöre ja auf den Dr. Tiburzius" stark nachgelassen.
Aber es gibt ja so viel anderes, worauf sich trefflich schwören läßt. Schulmedizin ist da eher out und findet beim Kränzchen in Heim, Café und Internet nicht unbedingt die gewünschte Aufmerksamkeit. Es sollte schon was ganz Abgefahrenes, Cooles und dabei doch Rätselhaftes, weil nicht wirklich zu Erklärendes sein, worauf da mit "Du weißt schon"- Augenaufschlag oder doch zumindest missionarischer Überzeugungskraft geschworen wird. Die Möglichkeiten der - mit der Glaubenskraft des Placebos vielleicht ja sogar hin und wieder (auch) positive Wirkung zeigenden - "neuesten Entdeckungen", die zumindest bei Versuchen mit Mäusen sogar einen Durchbruch versprechen, oder die Chance einer geradezu revolutionären medizinischen Wunderwaffe sind schier unermesslich. Geschworen wird aber auch und vor allem auf die wundersame, zumindest lindernde Alternativ-Medizin, die übrigens - wenn überhaupt - immer nur gerade so lange hilft bis die nächste sauteure Alternativ-Kur ansteht.
"Hab' ich doch immer schon geahnt "
Übrigens stört es bei der ganzen (Ver)schwörung nicht im geringsten, wenn sich herausstellt, dass diese wunderbaren neuen Wege der Schul- oder Alternativ-, vornehmlich der Naturmedizin doch eher einer zuweilen palliativ wirkenden Hysterie zu verdanken sind - oder gar ausgesprochen gefährlich. So etwas kann ein Damen-Kränzchen (bei dem auch andächtig lauschende oder gar zustimmende Herren durchaus zugelassen sind) mitsamt ihrem Schwur auf dieses oder jenes nicht erschüttern auf Dauer. Schlimmstenfalls - wenn sich an der Realität nun gar nicht mehr rütteln läßt - hatten die Schwur-Damen die zweite Hand nach Bayern-Art abwärts weisend hinter dem Rücken - oder: Sie haben es ja immer schon gesagt (geahnt geht auch, das ist mystischer).
Aber wie alles schöne, tröstliche im Leben hat auch diese bewährte Spielart des Schwörens ihre Grenzen. Ich frage mich zum Beispiel, was mit all den Überzeugungs-Opfern verwegener operativer Eingriffe geschieht, bei denen diese oder jene Mode-OP-Therapie nicht nur nicht den von gut daran verdienenden Medizinern in so ziemlich jedem Gesundheitsmagazin beschworenen positiven Effekt bei Parkinson-Symptomen etc. hat, sondern gründlich " nach hinten" losgeht. Ich schwöre: Die fallen unter den (OP-)Tisch, die tauchen mit ihrem beklagenswerten Ergebnis in keiner TV-Talkshow auf. Das sollte eigentlich zu denken geben - die Erfahrung lehrt uns allerdings, dass Negatives gern und erfolgreich verdrängt wird.
So richtig eins vor den alternativen naturmedizinischen Bug bekam jetzt eine Therapie, auf die gerade mal wieder zunehmend geschworen wird: Ayurveda ist das Zauberwort. Diese "uralte" (und merkwürdigerweise deshalb angeblich der modernen Schulmedizin haushoch überlegene) indische Naturheilkunde zeichnet sich durch einiges aus, das für darauf schwörende Kaffeekränzchen und intime Wartezimmer-Gesprächsrunden im Flüsterton geradezu prädestiniert ist:
"Kommt aus dem mittleren Osten - ist also gut ..."
- Ayurveda kommt aus dem mittleren Osten, vom indischen Subkontinent. Das ist doch schon mal was.
- Ayurveda verspricht reichlich Öl-Geschlabber - wer kann da schon widerstehen.
- Ayurveda garantiert Betatschen, Streicheln und Durchwalken so ziemlich aller Körperteile - aber nicht etwa von diesen langweiligen westeuropäischen Therapeuten, sondern von "echten" Exoten. Das gönnt man sich auch nicht alle Tage.
- Und Ayurveda verspricht "Reinigung" des ganzen Organismus, das gründliche Vertreiben von Schadstoffen jeglicher Art und von belastenden Schlacken (?).
Dazu gibt es erst mal einen ordentlichen Durchfall, den man ansonsten ja gerne vermeidet, und dann neben pumperlgsunder Kost ein paar Kügelchen zum Schlucken.
Und zumindest diese Kugel-Pillen, unverrückbarer Grundpfeiler der ayurvedischen Medizin, haben gerade eine auf Ayurveda schwörende Frau in Deutschland fast umgebracht. Die nicht nur alternativ-gläubige, sondern auch reiselustige Dame hatte sich wieder mal - wenn schon denn schon und "Frau gönnt sich ja sonst nix" - in die Ayurveda-Heilstätte ihres Vertrauens begeben: Auf die schöne Insel Sri Lanka. Dort wurde sie unter anderem auch mit den wundersamen reinigenden Kugeln zum Schlucken gefüttert - und nahm auch einen ihr anbefohlenen Vorrat der "ihr Inneres reinigenden" Kugeln mit nach Deutschland.
Alternative "Heilmittel" ganz natürlich Quecksilber und Blei
Dort allerdings ging es ihr schlecht und schlechter - so schlecht, dass sie sich - entgegen ihrem Schwur auf Ayurveda - in eine kompetente schulmedizinische Klinik begab: Das Hamburger Universitätsklinikum. Die Ärzte dort stellten dann eine lebensbedrohende Quecksilber-Vergiftung fest. Sie fanden 213 Gramm Quecksilber im Körper der Ayurveda-Gläubigen, außerdem reichlich Blei. Herkunft des Gifts, das normalerweise locker ausreicht, um einen Menschen umzubringen: Die 426 Ayurveda-Kügelchen, die die Patientin insgesamt mittlerweile geschluckt hatte.
Chefarzt Tobias Meyer, der die Patientin retten konnte, warnt eindringlich vor den ayurvedischen Medikamenten, die traditionell aus Arzneipflanzen, Edelsteinen, Mineralien und eben Schwermetallen hergestellt würden - Die Warnung des Mediziners gilt nicht nur solche "Medikamente", die im "Heimatland" dieser "Alternativ-Medizin" verabreicht werden: In Deutschland gelten die exotischen Pillen als Nahrungsergänzungsmittel und sind daher schwer zu kontrollieren.
Ach so: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Menschen, die auf solche abenteuerlichen Irrwege der Heilkunde schwören, nach einer gewissen Schock-Starre munter weiterhin mit diesen ayurvedischen Ü-Eiern eine Art russisches Roulett spielen. Wohl bekomm's.
Jos van Aken