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chronischLEBEN blickt über den PR-Tellerrand der THS-VermarkterHeile Parkinson-Welt nach der Hirn-OP in TV-Shows und GEONur ein Hype - oder doch High Tech mit "Wunder"-Potential?

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Wer an Parkinson erkrankt ist, entkommt ihnen nicht: Den unermüdlichen Werbern im weißen Kittel und ihren dankbaren Opfern, die seit Jahren eine nach wie vor hinterfragenswerte Therapie anpreisen wie das sprichwörtliche "sauer Bier". Gerade erst (gestern) kündigte die bekannte NDR-Moderatorin Bettina Tietjen einen Gast auf dem berühmten "Roten Sofas" der DAS-Sendung an, dem - so Tietjen begeistert und wörtlich "ein Wunder" geschehen sei. Das Wunder waren - langjährige Parkinson-Patienten ahnen es - zwei Elektroden, die dem an Parkinson erkrankten Mann, dem GEO-Journalisten Jürgen Broschart, tief ins Hirn implantiert und unter leichte Stromstöße gesetzt wurden. Tiefe Hirnstimulation (THS) oder chic englisch Deep Brain Stimulation (DBS) heißt das "Tietjen-Wunder" korrekt.

Der Tietjen-Gast wird zurzeit wie ein sprichwörtlicher "Falscher Fuffziger" von Fernseh-Talk zu TV-Geplauder weiter gereicht. Gestern Abend war er bei Dampfplauderer Mario Lanz im ZDF, heute auf dem legendären Roten Sofa bei NDR-Dino-Tietjen.

Broschart ist Redakteur bei der Zeitschrift GEO. Dort ist seine Reportage "Das geplante Wunder" erschienen, in der er "seine" THS schildert, bei der er sich natürlich in Farbe und auf Hochglanz ablichten läßt: Sowas macht sich bekanntlich immer gut im Familien-Album ("Kuck mal, Opa hat Löcher im Kopp und singt dabei Kölsche Karnevalslieder" - hat er übrigens wirklich während der OP. Alaaf) Und: Es puscht die GEO-Auflage mit Grusel- und Wunder-Effekt.

Tietjen übernahm den fatal an BLÖD-Zeitungsmachenschaften erinnernden GEO-Titel und kündigte gestern mal gleich für heute "ein Wunder" an. Na wunderbar.

   Braver Applaus - Keine kritischen Fragen   

Ansonsten: Nix Neues weder bei La Tietjen noch bei dem aalglatten Herrn Lanz und seinem brav auf Kommando und Stichwort applaudierenden und fröhlich die Späßchen des Parkinson-Patienten feiernden Studio-Publikum. Unterm Strich: Eine Menge wertvoller Sendezeit, die intensiv für die übliche THS-Propaganda und 1 Prozent-Schönrechnerei in Sachen OP-Risiko sowie für den Verkauf der Zeitschrift GEO genutzt wurde.

Die Chance, kritisch und beharrlich nach den längst bekannten Neben- und Folgerisiken des THS-Eingriffs von dem weitgehenden Verlust der Sprechfähigkeit über verhängnisvolle und die Existenz bedrohenden Impulskontrollstörungen bis hin zu dem in Studien nachgewiesenen signifikant gesteigerten Suizid-Risiko zu fragen und auf ehrliche Antworten zu dringen vergab das Tiroler Plappermäulchen Mario Lanz komplett (von Bettina Tietjen war ja ohnehin nicht anderes zu erwarten) - aber auch das ist nichts Neues.

Dieser THS schreiben ernst zu nehmende Mediziner zwar nicht wirklich "Wunderwirkungen" zu - das überlassen sie ebenso naiven wie prominenten Journalisten und dankbaren Patienten, die selbst bei heftigsten Nebenwirkungen treuherzig versichern, die Hirnoperation sei das Beste, was ihnen je geschehen sei.

   Allzweckwaffe gegen Parkinson, Depression und Alkoholsucht ...   

Die unter Stromstößchen gesetzten Sonden im Hirn sollen mittlerweile aber doch eine Art "Allzweckwaffe" für alle möglichen Gebrechen sein. Munter experimentiert wird zum Beispiel mit THS-Versuchen am lebenden, aber heftig depressiven Testobjekt wie überhaupt bei diversen psychischen Erkrankten - und neuerdings meint man gar, der schlimmen Alkoholsucht Herr zu werden, wenn erst mal die Löcher in den Kopf gebohrt und die Sonden ins allzu oft benebelte Hirn geschoben sind.

Wer sich näher und unvoreingenommen mit dieser - bei einzelnen Parkinsonsymptomen wie dem Tremor übrigens durchaus mehr oder weniger wirksamen - Operationsmethode beschäftigt, kommt an einem vor gar nicht mal so langer Zeit weltberühmten Portugiesen nicht vorbei. Heute kennt ihn kaum einer noch, aber in der Mitte des vorigen Jahrhunderts löste er einen noch heftigeren Hype um eine angeblich sensationelle Heilmethode per Skalpell aus.

   "Hirnschnitt" wurde Blockbuster   

Kennen Sie António Caetano de Abreu Freire Egas Moniz? Nein? Ich musste wie gesagt auch erst nach ihm suchen? Der vor 60 Jahren im Kreise seiner Familie verstorbene Portugiese war mal richtig berühmt - berüchtigt würde allerdings auch passen. Dass er ein paar Jahre Außenminister seines Landes war, interessiert nicht weiter. Aber der Blaublüter war auch Neurologe - und was für einer. 1949 wurde er mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet - und zwar „für die Entdeckung des therapeutischen Wertes der präfrontalen Leukotomie bei gewissen Psychosen“.

Besser bekannt ist die von Moniz erfundene Hirn-OP als Lobotomie. Dieser wohl bekannteste chirurgische Eingriff ins menschliche Hirn galt von 1936 bis ungefähr Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts als eine Art Blockbuster der Psychochirurgie, machte aber "nebenbei", sozusagen als Kollateralschaden unzählige Patienten zu absoluten Pflegefällen - nach dem zynischen Motto: Operation gelungen, Patient so gut wie tot.

Warum mir die Lobotomie immer wieder durch den Kopf geht, wenn wieder einmal die Tiefe Hirnstimulation (THS) als wirksame Methode zur Ausschaltung von Parkinson-Symptomen durch die einschlägigen Foren und Selbsthilfegruppen und als redaktionell getarnte PR-Instrumente in Zeitschriftenartikeln und Fernsehbeiträgen geistert? Die Marketing-Methoden beider schlagzeilenträchtigen Operationsmethoden ähneln sich, und vor allem fällt auf, dass es immer wieder gelingt, alle, auch die bekannten und erwiesenen Risiken solcher operativer Eingriffe in das menschliche Gehirn auszuschalten. Doch dazu später mehr.

Vorab gesagt: Vergleiche hinken schon mal gern. Das gilt auch für den "Vergleich" der mit dem Nobelpreis geadelten Erfindung des Herrn Moniz mit dem neben der Milliarden Umsatz garantierenden Vermarktung von Medikamenten wohl zurzeit zweitwichtigsten Geschäftsidee in Sachen Parkinson-Behandlung, der THS. Aber dieser Vergleich ist nicht so sehr ein Vergleich (auch wenn vieles der einen Methode fatal an die andere erinnert) - er soll eher ein Denk-Anschubs sein:

Meilensteine der Medizin-Geschichte erweisen sich bei näherer Betrachtung übrigens nicht gerade selten früher oder später als tragische Irrwege oder als ausgemachter Schwindel - ein Schwindel, an den übrigens meist sogar die "Erfinder" des jeweiligen Unsinns fest und unerschütterlich glaubten und glauben. Eines ist den großen Irrtümern und kleinen, aber geschickt vermarkteten Schwindeleien in der Kunst des Heilens und Lindern gemeinsam: Der blind- und taubmachende Hype - und die daraus resultierende Hysterie in breiten Volksschichten

   Hildegard und die Schwalbenkacke   

Die Nonne Hildegard von Bingen gilt zum Beispiel bis zum heutigen Tag als Ikone der mittelalterlichen Heilkunst. Unbestritten, dass sie mit ihrem Wissen um die Naturheilkunde heutzutage wahrscheinlich äußerst erfolgreich als Moderatorin und Verkäuferin im Teleshopping wäre - nur: Die Äbtissin, die mit ihren Visionen nicht zum Arzt ging, sondern sie geschäftstüchtig vermarktete, war wahrscheinlich wirklich felsenfest von ihrer ebenso verwegenen wie blödsinnigen Idee überzeugt, sie könne ein tödliches Leiden wie die Lepra mit einer Mixtur aus Schwalbenkot und Klettenkraut kurieren.

Na gut, das war im 12. Jahrhundert, und wir aufgeklärten Menschen glauben gut 800 Jahre später natürlich nicht mehr an den frommen Quatsch. Aber ziemlich genau 800 Jahre nach dem Lepra-Rezept mit der Kacke-Kraut-Rezeptur der "Heilerin" Hildegard erhielt der bereits weiter oben erwähnte portugiesische Moniz den Medizin-Nobelpreis - für einen "Fortschritt" in der Medizin, gegen den Schwalbenkot in Kräuterdressing auf Lepra-Wunden eher harmlos erscheint.

Wie unsere wundergläubigen Ahnen im Mittelalter glaubten verzweifelte Kranke und deren Angehörigen den Versprechungen des porNeurologen und seines Kollegen, des US-amerikanischen Psychiaters Walter Freeman, die nicht nur behaupteten, sondern meinten auch beweisen zu können, dass mit einem Durchtrennen der Nervenbahnen in der vorderen Gehirnregion Patienten von bis dato unheilbaren Wahnvorstellungen befreien zu können.

Als eine Art Kollateralschaden wurde dabei in Kauf genommen, dass durch diesen Schnitt im Gehirn auch die Persönlichkeit irreparabel verändert wurde. Patienten wurden zu Pflegefällen und büßten ihre Intelligenz ein. Bekanntestes Lobotomie-Opfer ist wohl eine Schwester des US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy: Die 23jährige Rosemary Kennedy, überlebte die Lobotomie immerhin, blieb aber zeitlebens ein Pflegefall.

   Mit Hirn-OP Homosexualität und Kommunismus "heilen"  

Lobotomiert wurde noch bis Anfang der 60er Jahre auf Deubel komm raus und ohne jede Rücksicht auf Verluste: Weltweit werden die durchgeführten Operationen auf etwa eine Million geschätzt. Die Versprechen der Lobotomie-Befürworter wurden mit der Zeit immer aberwitziger: In den 1950er Jahren wurde die Operation unter anderem durchgeführt, um Homosexualität oder eine kommunistische Einstellung zu „kurieren“. Und 1967 fanden Harvard-"Wissenschaftler" gar heraus, die "Ursache der Rassenunruhen von Detroit sei in einer fokalen Hirnstörung zu suchen“, die man nur operativ entfernen müsse, um weitere Unruhen zu verhindern.

Walter Freeman, der insgesamt rund 3.600 Lobotomien durchführte, gern auch mal ein rundes Dutzend pro Tag in Hörsälen und bei Fernseh-Auftritten, nahm übrigens die "Nebenwirkungen" seiner "Wunder"-OP durchaus wissentlich in Kauf. Er wusste, was er tat und schrieb: „Die Psychochirurgie erlangt ihre Erfolge dadurch, dass sie die Phantasie zerschmettert, Gefühle abstumpft, abstraktes Denken vernichtet und ein roboterähnliches, kontrollierbares Individuum schafft.“ Frankenstein läßt grüßen.

Die Grundidee von Moniz und Freeman war nicht neu - und sie geistert immer noch durch die Welt der Medizin. Vereinfacht gesagt, geht es dabei meist darum: Defekte im Gehirn, die Krankheiten und/oder Behinderungen verursachen sozusagen an Ort und Stelle beseitigen oder "reparieren", also im Gehirn - mit dem Messer oder neuerdings mit HighTech.

   Zweifelhafter Fortschrittsglaube um jeden Preis   

Dass Wissenschaftler und Ärzte in den letzten 50 Jahren geradezu Quantensprünge im Wissen um den menschlichen Körper gemacht haben, ist unumstritten. Ob die THS - als mantramäßig beschworenes Therapiemittel der Wahl nicht nur in Sachen Parkinson, sondern neuerdings auch für alle möglichen anderen Krankheiten - mehr oder weniger informationsresistent von Patienten mit tatsächlichem oder gefühlten Leidensdruck zum letzten Strohhalm taugt - oder ob man gut daran tut, sich der immer wieder verharmlosten oder verschwiegenen, aber längst bekannten Neben- und Folgewirkungen des operativen Eingriffs ins Gehirn bewusst zu werden - und (nicht ganz so Mainstream und vielleicht eher langweilig als hip) vielleicht doch weiterhin intensiv die Möglichkeiten der längst bewährten medikamentösen und physiotherapeutischen Therapien (plus Ergo- und Sprachtherapie) zu nutzen. Die sind teilweise auch alles andere als harmlos.

Aber mit Geduld und der sachkundigen Begleitung durch einen parkinson-erfahrenen Neurologen und spezialisierte Therapeuten läßt sich der Parkinson zwar auch nicht heilen (bis auf weiteres); aber zu einem guten, wenn auch nicht beschwerdefreien Leben mit dem Parkinson braucht es wirklich nicht die Sonden und Elektroden tief im Gehirn.

Jos van Aken

Parkinson schützt vor Blinddarm nicht:Die 08/15-Narkose kann lebensgefährlich werdenVor Operationen spezielle Risiken abklären

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Parkinson-Kranke sind ganz normale Leute. Und weil, das so ist, kommt es schon mal vor, dass sie sich - abseits vom Parkinson - nicht nur sprichwörtlich unters Messer legen müssen: das eines Chirurgen. Ich sag mal so: Parkinson schützt vor Blinddarm nicht. Und nicht wenige haben bei dem vorbereitenden Gespräch mit dem Chirurgen oder Anästhesisten die verunsichernde Erfahrung gemacht, dass der Mann oder die Frau in Weiß genervt abwinkt, wenn der Patient auf spezielle Risiken bei der Narkose hinweist. chronischLEBEN rät: Lassen Sie sich nicht "abwimmeln" -auch auf die Gefahr hin, in die Weißkittel-Schublade eines "schwierigen Patienten" geschoben zu werden. Es geht schließlich um Ihre Gesundheit - und um Risiken bei und nach der Operation, die weitestgehend ausgeschlossen werden können.Narkose-Mittel vertragen sich nämlich ziemlich häufig ganz und gar nicht mit den speziellen Medikamenten, auf die wir als Parkinsonkranke angewiesen sind und die uns helfen, mit der chronischen Krankheit zu leben. Darauf weist die "Pharmazeutische Zeitung" in einem Bericht hin. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivtherapie weist darauf hin, dass bei Operationen von Parkinson-Patienten oft typische Parkinson-Symptome wie vermehrte Speichelbildung und Schluckprobleme auftreten.

In Einzelfällen, so die Fachgesellschaft der Anästhesisten, kann es dabei durchaus zu einer lebensbedrohlichen Atemnot kommen. Ziel einer sorgfältigen Abstimmung zwischen Neurologen und Narkosearzt müsse eine Abstimmung der verwendeten Narkotika mit den Parkinson-Medikamenten sein. "Die Narkosemittel dürfen weder die Parkinson-Symptomatik verstärken noch die Wirkung der Parkinson-Medikamente beeinflussen», so Dr. Ingrid Rundshagen, Oberärztin der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin der Berliner Charité. So könnten etwa hoch potente Opioide, die die Schmerzen während einer Operation ausschalten, die Muskulatur zusätzlich versteifen. Das erschwert den Patienten das Atmen und Abhusten.

Zusätzliche Vorsicht sei bei jenen Patienten geboten, die Parkinson-Mittel in kurzen Abständen nehmen. Denn deren Wirkung kann während der Narkose nachlassen. Die Präparate sollten bis kurz vor Einleitung der Narkose eingenommen werden. «Die Medikamente sollten möglichst während des gesamten Eingriffs wirken, um Komplikationen wie eine Brustkorbstarre mit Luftnot zu vermeiden», erläutert die Berliner Expertin.

Und sie hat auch einen ganz unspektakulären Tipp für die Operationsplanung parat: "Damit sich der Operationsbeginn nicht verschiebt, raten wir, Morbus-Parkinson-Patienten morgens als erste zu operieren."

JvA

Neu - kommerzielle Werbeanzeigen auf chronischLEBEN:Kein Interessenkonflikt: Blog bleibt kritisch - Werbung für Arzneimittel blockiert

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Kommerzielle Werbeanzeigen unter anderem auch für Produkte und Dienstleistungen aus dem Gesundheitsbereich - und das in einem Blog, der sich immer wieder von unkritischer Nähe sowohl zu Pharmakonzernen als auch zur übrigen Gesundheitsindustrie deutlich distanziert - passt das zusammen? darf das? Nein, das passt ganz und gar nicht "zusammen". Und ja, das darf.


Seit gestern finden Besucher meines Blogs chronischLEBEN bis zu drei kleine Werbeblöcke, so genannte "Ads" zwischen den redaktionellen Inhalten. Ich muss und ich kann damit leben, wenn Kritiker jetzt den möglichen Verlust meiner "Unschuld" in Sachen Unabhängigkeit von Wirtschaftsunternehmen, Lobbyorganisationen und allzu willfährigen Medizinern und Politikern vermuten oder behaupten. Ein solcher Verdacht wäre ja nicht von vornherein und mit treuherzigem Dackelblick von der Hand zu weisen.

"Interessenkonflikt" ist das Wort, das sich da manch einem aufdrängen mag oder im Kopf herumschwirrt. Warum auch nicht. Könnte ja durchaus sein.

Deshalb hier einige erklärende Worte: Ich habe zwar grundsätzlich keinerlei Einfluss darauf, welche Anzeigen geschaltet werden; ich habe aber mittlerweile mögliche Anzeigen aus den Bereichen "Arzneimittel" und "Nahrungsergänzungsmittel" blockieren lassen (nachdem tatsächlich zwei Anzeigen auf der chronischLEBEN-Seite erschienen, mit denen ich persönlich inhaltliche Probleme hätte, wenn sich das wiederholt).

Grundsätzlich gilt aber für mein Blog chronischLEBEN ein wie ich meine gesunder Grundsatz, mit dem ich während meiner langen Jahre als Redakteur von Tageszeitungen ohne Gewissensbisse und ohne mich verbiegen zu müssen leben und morgens mein Spiegelbild ertragen konnte: Die strikte Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten. Während der zweiten Hälfte meines journalistischen Berufslebens als Reporter und Moderator für Sender der ARD hatte ich in den Programmen, für die ich überwiegend arbeitete, ohnehin nichts mit Werbung auf "meinen" Sendeplätzen zu tun.

Klartext: Selbst wenn - trotz meiner vorsorglichen Blockierung bestimmter Inhalte doch Anzeigen für Produkte oder Dienstleistungen auf chronischLEBEN geschaltet würde, könnte mich das aufgrund meines journalistischen, sozialen und politischen Selbstverständnisses nicht daran hindern, auch das, was mir bei solchen Anzeigen-Auftraggebern auffällt, weiterhin kritisch zu hinterfragen.

Über Geld redet "man" ja bekanntlich nicht. Ich schon. Ich habe mich natürlich nicht aus einer Laune heraus entschlossen, kommerzielle Anzeigen auf chronischLEBEN zuzulassen, sondern weil ich das Geld, das möglicherweise gezahlt wird, als kleiner Rentner mehr als gut gebrauchen kann. Bevor aber überschießende Phantasie möglicherweise eine Art Neiddebatte los tritt: Es geht dabei um wenige Euro - bestenfalls.

Jos van Aken<

chronischLEBEN-Kommentar:Jetzt müssen die Kostenträger liefern: Mit Sicherheit

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Wäre ich nicht in meinem (fast) perfekt ausgestatteten und sicheren Rollstuhl unterwegs - einfach so oder auch mal mal mitsamt Rollstuhl im Linienbus -, sondern in einem chicen stromlinienförmig oder mit stylistischen Anleihen an Vespa & Co daherrollenden E-Scooter: Dann wäre ich vielleicht stinksauer auf die Richter in Kiel und Münster, die mir die Bustür rechtlich sozusagen vor der Nase zuknallen - und natürlich auf die "bösen behindertenfeinlichen" Nahverkehrsunternehmen. Vielen E-Scooter-Fahrern geht es mit einiger Wahrscheinlichkeit gerade so. Und das hat seinen Grund:

   ... wenn die Lautesten den Ton angeben ...

Wir erleben  seit gut einem halben Jahr einen Shitstorm vom Feinsten, angepustet von einzelnen Scooterfahrern, die sich benachteiligt fühlten - und dann mit einer gewissen Hysterie aufgenommen und angefacht von Behindertenverbänden, die sich merkwürdigerweise anstecken ließen von einzelnen Betroffenen - nach dem Motto  "Wer am lautesten schreit, für den schreien wir mit" Mitten drin im Hype für die Scooter-Fahrer: Politiker auf den Ministersesseln des Sozial-Ressorts und in Amt und Würden als Behindertenbeauftragte, die allesamt vor allem Chance sahen, Punkte und vor allem Wählerstimmen zu "sichern", wenn sie wie üblich in Stammtischparolen mit einstimmen.

Die Sachlichkeit blieb dabei auf der Strecke.

Mittlerweile werden die Stimmen in den sozialen Netzwerken leiser, die aus den berechtigten Sicherheitsbedenken der Busbetreiber versucht haben, angebliche Benachteiligungen von behinderten Menschen zu machen. Unabhängige Richter haben jetzt endlich klipp, klar und unmissverständlich nach Prüfung der Tatsachen befunden, dass Sicherheit nun mal Vorfahrt hat. Es ist nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich, dass es in Zukunft auch mal eine Gerichtsentscheidung pro Scooterfahrer geben könnte. Aber das ist wie gesagt eher weniger wahrscheinlich - und würde die jetzt von den Richtern in Kiel und Münster vorgegebene Richtung kaum grundsätzlich auf einen anderen Weg bringen.

   Umdenken in der Hilfsmittelversorgung   

Das alles ändert nichts daran, dass von dem Busmitnahmeverbot betroffene behinderte Menschen, denen der Schwerbehindertenausweis plus Wertmarke das Recht auf (fast) unentgeltliche Beförderung im ÖPNV gibt, sich benachteiligt fühlen. Und zwar zu Recht. 

Wäre ich auch betroffen von dem Mitnahme-Ausschluss wäre ich wie erwähnt auch stinksauer. Aber nicht auf die sicherheitsbewussten Betreiber der Buslinie oder die Richter, die das Scooter-Verbot rechtlich absichern und bestätigen. Mich wundert seit Beginn der E-Scooter-Diskussion, dass die eigentlichen Verursacher des ganzen Schlamassels kaum mal erwähnt werden - und wenn, dann nur am Rande.

Als Betroffener würde sich mein Zorn und Protest ganz konkret gegen Sanitätshäuser und sonstige Geschaftlhuber richten, die - wenn schon kein angepasster Rollstuhl gewünscht wird oder zu verkaufen ist, den Rentnern, ob behindert oder nicht, die Scooter mit warmen Worten verscherbeln - ohne zu erwähnen, dass die Busfahrt mit dem chicen E-Motorroller auf drei oder vier Rädern nicht möglich ist.

   Komplett-Information statt schnellem Euro   

Einen Nachholbedarf in Sachen Information und Transparenz haben nicht zuletzt auch die Kostenträger,, meist die Krankenkassen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass dort eher schon mal die Kostenübernahme für einen vergleichsweise niedrigpreisigen E-Scooter gewährt wird - und damit die in der Regel um ein Vielfaches teureren gut ausgestatteten Rollstühle mit Preisen zwischen 8.000 und 20.000 Euro außen vor bleiben. 

Wir als behinderte Menschen sollten eines nicht vergessen: Es geht letztlich um unser gutes Recht auf Teilnahme, das unter anderem durch die in Deutschlannd verbindliche Behindertenrechtekonvention der Vereinten Nationen garantiert wird (oder es zumindest sollte). Und das bedeutet beim die Mobilität ermöglichenden Hilfsmittel eben eher den fahrbaren Untersatz, der uns nicht nur erträglich, sondern vor allem sicher von A nach B bringt - und das sind ganz offensichtlich E-Scooter nicht.

Jos van Aken

Siehe auch chronischLEBEN-Bericht zum Thema:
Der Anfang vom Ende für das "Aus"

Jetzt bestätigt auch Oberverwaltungsgericht Münster Rechtmäßigkeit der "Aussperrung"Der Anfang vom endgültigen "Aus" für E-Scooter in Linienbussen

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Die meisten behinderten Menschen, die - aus welchen Gründen auch immer - sich mehr Mobilität von einem sogenannten E-Scooter versprechen, sollten sich darauf einstellen, dass sie mitsamt und auf ihren "Flitzern" wohl keine Chance mehr haben, in Bussen des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) mitgenommen zu werden - anders als mit einem Rollstuhl herkömmlicher Bauart. Nachdem vor drei Wochen bereits das Kieler Landgericht eine Einstweilige Verfügung der E-Scooter-Fans gegen das Bus-Verbot abgelehnt hatte, stellte jetzt das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht in einem rechtskräftigen Beschluss fest, dass das Verbot der Mitnahme der drei- oder vierrädrigen Elektrowägelchen in den Bussen vieler Nahverkehrsunternehmen rechtens ist. Die Entscheidung des Gerichts stützte sich auf mehrere Gutachten, in denen festgestellt worden war, dass E-Scooter ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen, wenn sie - anders als herkömmliche Rollstühle - im Bus nicht sicher fixiert werden können und quer zur Fahrrichtung des Busses stehen.

Die Beschwerde einzelner E-Scooter-gegen den Ausschluss aus Linienbussen hatte im vergangenen Herbst eine Welle des Protests ausgelöst, dem sich auch Behindertenverbände, einige Behindertenbeauftragte und auch Sozialminister anschlossen. In "sozialen Netzwerken" kam es zu teilweise rein emotional geführten leidenschaftlichen Diskussionen pro und contra E-Scooter-Mitnahme. Unter anderem hatte dernnordrhein-westfälische Landesbehindertenbeauftragte Norbert Killewald sich Anfang des Jahres einer Resolution des Landesbehindertenbeirates für die Aufhebung des Mitnahmeverbots angeschlossenen Killewald (selbst nicht behindert) damals wörtlich in einer Presseerklärung: „Die Verkehrsunternehmen haben sich mit dem Verbot ins Abseits gestellt. Der Beschluss des Landesbehindertenbeirates zeigt, dass niemand für dieses Vorgehen Verständnis hat."

   Mit angeblich 30.000 "ausgeschlossenen" Behinderten auf Wählerfang   

Wie polemisch die öffentliche Diskussion geführt wurde zeigt sich in einer weiteren Behauptung des tendenziell eher populistisch agierenden NRW-Behindertenbeauftragten: Er schätzt, so die Tageszeitung WAZ in einem Bericht über die wegweisende E-Scooter-Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, "mit diesem Beschluss bleiben mehr als 30.000 Menschen in NRW vom Transport in Bus- und Straßenbahnen weiter ausgeschlossen".

Ob die von Killewald geschätzten 30.000 E-Scooter-Fahrer in Nordrhein-Westfalen tatsächlich zum Kreis der durch ein entsprechendes Merkmal in einem amtlichen Schwerbehindertenausweis gehören, ist mehr als fraglich. E-Scooter sind auch und gerade bei Senioren ohne "echte" Behinderung beliebt, die damit lediglich bequem von A nach B kommen wollen - zum Beispiel zum Einkaufen.

   E-Scooter nicht erst bei Bus-Norbremsung gefährlich   

Der Beschluss des 13. Senats am OVG in Münster ist unmissverständlich: "Betreiber eines öffentlichen Linienverkehrs mit Bussen sind nicht verpflichtet, E-Scooter zu befördern". Das Gericht folgt damit der Begründung der Verkehrsunternehmen, die erhebliche Sicherheitsbedenken vorbringen und sich auf eine Studie berufen, die vor Unfall- und Haftungsrisiken warnt. E-Scooter sind einsitzige Elektrofahrzeuge, die mit Fahrer bis zu 500 Kilo wiegen dürfen.

Im konkreten Fall eines Mannes aus Haltern, der die Mitnahme im Scooter gerichtlich erzwingen wollte, befand das Gericht, essei zu befürchten, "dass der E-Scooter des Antragstellers, der - anders als ein Rollstuhl - im Bus nicht fixiert werden könne und quer zur Fahrtrichtung des Busses stehe, bei einem Gewicht von 138 Kilo nicht erst bei einer Notbremsung, sondern schon bei geringeren Beschleunigungs- bzw. Verzögerungswerten kippen oder rutschen und dabei andere Fahrgäste verletzten könne."

JvA

Aktenzeichen der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster: (13 B 159/15)

Siehe auch chronischLEBEN-Kommentar:
Jetzt müssen Kostenträger liefern - mit Sicherheit


Bericht in der WAZ

Entscheidung über Mehrhoff-Petition vertagtBundesgesundheitsministerium weist Forderung nachpauschaler Bevorzugung von Parkinson-Patienten zurück

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Vorerst gescheitert ist eine von der für ihre Nähe zur Pharma-Industrie bekannte deutsche Parkinson Gesellschaft (dPV) mit ihrer von dPV-Geschäftsführer Friedrich-Wilhelm Mehrhoff initiierten Petition an den Bundestag mit der Forderung, alle Parkinson-Patienten von der sogenannten "aut idem"-Regel generell zu befreien - und ihnen ohne weitere Begründung nur noch die teuren Originalpräparate der Pharmafirmen zu verabreichen- ohne zusätzliche Zuzahlung.

In einer Anhörung wies das federführende Bundesgesundheitsministerium die Forderung der offensichtlich von der Pharma-Lobby diktierten Petition mit mehr als 57.000 Unterschriften zurück. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz wies auf die Kompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses hin, auf den die Bundesregierung keinen Einfluss nehme.

Der GBA hat im Herbst vergangenen Jahres eine erste Tranche von Wirkstoffen festgelegt, die beispielsweise beim Vorliegen eines Rabattvertrags nicht vom Apotheker ausgetauscht werden dürfen.

Zurzeit diskutiert der Gemeinsame Ausschuss, dem unter anderem Krankenkassen und Leistungserbringer angehören, über weitere Austauschverbote - also Originalmedikamente, die aus medizinischen Gründen nicht gegen andere preiswertere Präparate ausgetauscht werden dürfen. Dazu gehören beispielsweise das Schilddrüsenhormon Levothyroxin-Natrium oder das Antiepileptikum Phenytoin. Parkinson-Präparate stehen nicht auf der Liste - weil sie die GBA-Kriterien für ein Austauschverbot nicht erfüllen. Für Pharma-Konzerne bedeutet das eine nicht gerade unerhebliche Gewinnbremse - verdienen sie doch an Original-Präparaten ein Vielfaches von dem, was zum Beispiel wesentlich preiswerte Generika mit gleichem Wirkstoff in den Kassen klingeln läßt.

Endgültig entschieden über die Forderungen der dPV-Petition wurde noch nicht. Der Petitionsausschuss des Bundestages vertagte eine Entscheidung auf eine spätere Sitzung.

JvA



chronischLEBEN-Hintergrund: Darum geht es wirklich:
"General-Absolution" für Preistreiberei
statt Verordnung nach individuellem Bedarf

Zum Hintergrund: Parkinson-Patienten bekommen immer öfter - wie Menschen mit anderen Erkrankungen auch - sogenannte "aut idem-Medikamente"; das sind Medikamente eines anderen Herstellers als die, die auf dem Rezept des verordneten Arztes vermerkt sind. "Aut idem" ist Ärzte-Latein; die geheimnisvoll lautende Anweisung bedeutet nichts anderes als "oder ein wirkstoffgleiches (Medikament)" und sagt dem Apotheker, dass er dem Patienten ein anderes Medikament eines anderen Herstellers geben muss - allerdings mit demselben Wirkstoff des vom Arzt ursprünglich verordneten Medikaments. Hintergrund: die Krankenkassen müssen und wollen im Interesse ihrer Versicherten die bisherige Explosion im Gesundheitswesen wenn schon nicht beenden, dann wenigstens bremsen.

   Ausnahmen von der "Aut idem"-Regel   

Eines der wichtigsten Kontroll-Instrumente gegen einen "Wildwuchs" der ungeliebten, aber seit Jahren überfälligen Kostenersparnis ist eine Ausnahmeliste mit Medikamenten, die nicht dem "Aut idem"-Gebot unterliegen, weil entweder preiswertere Austauschmedikamente generell nach Ansicht des Gemeinsamen Bundesausschusses (GMA) vereinfacht gesagt entweder nicht so wirksam sind wie das (teurere) Originalpräparat oder zum Beispiel vor der Umstellung dieses Medikaments auf ein wirkstoffgleiches Arzneimittel zunächst eine umfangreiche wissenschaftliche Prüfung dieser Austauschmedikamente, ein sogenanntes "Drug Monitoring" erforderlich ist.

Um diese Ausnahmeliste wird immer wieder hart verhandelt. Die Kostenträger, also die Krankenkassen wollen möglichst wenige Originalpräparate auf dieser kostentreibenden Liste sehen - andere Mitglieder im Gemeinsamen Bundesausschuss mit mehr Affinität zur Pharma-Industrie plädieren meist für eine Ausweitung der Ausnahmeliste

Bei der vom Geschäftsführer der deutschen Parkinson Vereinigung initiierten Petition geht es aber nicht um diese Ausnahmeliste. Mehrhoff (und die Pharmaindustrie, mit der er gerne zusammenarbeitet, wolle mehr: für alle Parkinson-Patienten soll die "Aut idem"-Regelung komplett wegfallen - sie bekämen dann - als einzige Patientengruppe - nur noch die meist sündhaft teuren Originalmedikamente, die ihnen der Arzt verschreibt - unabhängig davon, ob sie wirksamer sind als preiswertere Austausch-Präparate.

   Pharmazeutische "Extrawurst" bei Morbus Parkinson?   

Anders ausgedrückt: In der Praxis würde ein Erfolg der Mehrhoff-Petition bedeuten, dass chronisch Kranke mit der Diagnose Morbus Parkinson im Gegensatz zu allen anderen Kranken grundsätzlich die teuren Original-Medikamente zum Nulltarif (bis auf die üblichen 5 € Zuzahlung pro Medikament) erhalten würden. Ob preiswertere Präparate mit dem gleichen Wirkstoff, die die Gesundheitskosten nicht so stark belasten würden, zur Verfügung stehen, würde - wiederum ausschließlich für Parkinson-Patienten - keine Rolle mehr spielen.

Wirklich profitieren würden von einer solchen Regelung aber nicht etwa die Patienten, sondern ausschließlich die Pharmafirmen.

Bereits jetzt setzen verantwortungsbewusste Mediziner das bekannte X hinter den "Aut idem"- Hinweis, wenn es darauf ankommt, dass ein Patient dieses umd nicht mal dieses oder dann wieder ein anderes Medikament einnimmt. Mit dem X wird das "aut idem" anders als grafisch sichtbar, nicht etwa "angekreuzt", sondern außer Kraft gesetzt.

   Bisher nur medizinische Indikation für das Streichen von "Aut idem"  

Gründe für diesen seit jeher praktizierten individuellen "Aut idem"-Ausschluss sind meist folgende Kriterien: Entweder ist es für die Wirksamkeit einer medikamentösen Therapie medizinisch bedingt unabdingbar, dass stets dieselbe Menge eines Wirkstoffs eingenommen wird Bei Austauschpräparaten kommt es, ganz legal, immer wieder zu Mengen-Differenzen in den Präparaten von zum Beispiel 85 statt 100 mg des verordneten Wirkstoffs - oder 120 mg statt 100 mg, die auf der Packung des Medikaments angegeben werden.

Ein anderer Grund für den Arzt, per Durchkreuzung des "aut idem" auf einem bestimmten Markenpräparat zu bestehen, sind unterschiedliche Hilfs- und Füllstoffe von Hersteller zu Hersteller bei gleichem Wirkstoff. Manche Patienten vertragen bestimmte Füll- und Hilfsstoffe bestimmter Hersteller gesundheitlich nicht - ein vernünftiger und im Praxisalltag üblicher Grund für das aut idem-X.

JvA


chronischLEBEN-Kommentar:
57.000 Petenten die kalte Schulter gezeigt
- oder doch nur Mehrhoff und den Pharmas?

Zumindest das Bundesgesundheitsministerium hat der Petition der deutschen Parkinson Vereinigung die sprichwörtlich kalte Schulter gezeigt. Begründet wurde das mit dem politisch korrekten Hinweis auf die Unabhängigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), der bislang keinen vernünftigen, medizinisch zwingenden Grund sieht, Parkinson-Elemente vom durch die "aut idem"- Regelung geforderten Austausch gegen gleich wirksame, aber wirtschaftlich günstigere (sprich preiswertere) pauschal auszunehmen. Individuell kann und wird das "oder wirkstoffgleich" seit jeher zugunsten eines bestimmten Medikaments ausgeschlossen - zum Wohle des Patienten.

Der umstrittene Geschäftsführer der deutschen Parkinson Vereinigung, Friedrich-Wilhelm Mehrhoff wollte aber weit mehr als das, was das oberste deutsche Lenkungsgremium in Sachen Gesundheitswesen, besagter GBA, ohnehin verweigert - und was der auf ungebremste Gewinne fixierten Pharmaindustrie (satirisch überspitzt gern auch als Pharma-Mafia bezeichnet) den Gewinnmaximierungs-Spaß bislang einigermaßen verdirbt: Ein paar mehr Medikamente mehr auf der Ausschluss-Liste sind dem smarten PR-Experten und gelernten Juristen Mehrhoff nicht genug.

   Rezepte à la Business Class ?   

Ganz im Sinne der Herrschaften in den Chefetagen der Pharmafirmen will Mehrhoff aus an Morbus Parkinson erkrankten Menschen eine Art "First-Class-Patienten" machen. Wer schon das Pech hat, , mit der Parkinson-Diagnose zurecht kommen zu müssen, soll wenigsten in der Business-Klasse lächelnd das Rezept vom Arzt empfangen und es frohgemut dem Apotheker seines Vertrauens über den Tresen reichen. 

57.000 Menschen dazu zu bewegen, eine entsprechende Petition zu unterzeichnen, war dabei wahrhaftig kein Kunststück: Wer will schon nicht sein gewohntes sauteures Original-Medikament nicht nur verordnet, sondern ohne Suche des Apothekers im Computer nach möglichen Austauschpräparats ausgehändigt bekommen? Da sitzt der Kugelschreiber für die Unterschrift auf die Petition des netten Herrn Mehrhoff schon mal locker - irgendwie verständlich.

   Petition zu PR-Kampagne missbraucht   

Würden Mehrhoff und die Pharmakonzerne auch nur annähernd mit ihrer PR-Kampagne Erfolg haben - und sei es nur indirekt, wenn zum Beispiel der GBA und die Politik sich auf einen faulen Kompromiss einließen, indem sie zum Beispiel teure Original-Präparate ohne sachlichen Zwang vom aut idem-Gebot ausnähmen, nur damit die Pressure Group und Pharma-Partnerin dPV Ruhe gobt, würde das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes mit den Füßen getreten - und die mühselig erbauten, immer noch viel zu niedrigen Dämme gegen die nicht zu zähmende Gewinnsucht der Pharmas nach immer noch mehr Milliarden würden eingerissen.

Jos van Aken

Wenn der Bürgermeister es mal eilig hat ...Hoher Verwaltungsbeamter parkt auf Schwerbehindertenparkplatz:Bußgeld? Nein danke ...

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In den "Schurkenturm" - Bergfried und Relikt der Burg Hohenberg und später Gefängnis - wollen engagierte Behinderten-Aktivisten den Bürgermeister und Ersten Beigeordneten des Städtchens Horb am Neckar nicht gleich sperren - aber zumindest Buße in Gestalt eines mäßigen Bußgeldes sollte der Mittvierziger, der auf dem Ticket der SPD vor fünf Jahren bei einem "schwarz-roten Deal" in das gut dotierte Verwaltungsspitzenamt gewählt wurde, schon zahlen. Der Kommunalpolitiker war erwischt - und fotografiert worden, als er seinen Wagen ausgerechnet auf einem amtlich für schwerstbehinderte Menschen mit einem blauen Parkausweis abstellte.

Dafür hätte die Bußgeldstelle der "Großen Kreisstadt Horb" ihm eigentlich eine Zahlungsaufforderung über 35 Euro Bußgeld zustellen müssen. Die Horber Ordnungswächter hüteten sich aber, in den Bußgeldkatalog zu schauen, die eine Geldbuße von besagten 35 Euro für das Parken eines Nichtbehinderten von unter 60 Minuten auf einem Schwerbehindertenparkplatz vorschreibt. Menschlich und karrieretechnisch ist diese Arbeitsverweigerung durchaus "verständlich": Der Falschparker ist als Leiter des Dezernats II nämlich Herr über "Recht und Ordnung" in Horb und damit oberster Chef der Bußgeldstelle.

Außerdem hatte der karrierebewusste Bürgermeister Zeitler, der bei seiner Wahl 2010 noch hoch und heilig versprochen hatte, Er wolle "dazu beitragen, dass sich Horb offen, mutig und aktiv den 'nicht ganz einfachen Problemen' stelle, eine seiner Meinung nach gute Ausrede für sein Parken auf dem ausschließlich für schwerst gehbehinderte Menschen mit den Merkzeichen "aG" im Schwerbehindertenausweis und dem amtlichen blauen Parkausweis reservierten Stellplatz (neben dem übrigens ein weiterer "normaler" Parkplatz frei war): Er habe ja nur ganz kurz mal da geparkt und außerdem habe er es eilig gehabt, weil ein Einbruch ins Rathaus gemeldet worden sei.

Die Mitarbeiter von Bußgeldstellen kennen solche und auch intelligentere Ausreden von ertappten Parksündern, denen die Rechte von behinderten Menschen absolut wumpe sind, und die gestrengen Wächter über Recht und Ordnung zeigen sich normalerweise weder "amused" noch sonstwie beeindruckt, wenn Bürger derart eklatant gegen die bürgerlichen "Spielregeln" verstößt - vor allem, wenn Verantwortliche auch noch ohne jede Rücksicht und offenbar ohne Kenntnis der Bedeutung des Wortes "Teilhabe" gleichgültig die Rechte behinderter Menschen  beiseite  schieben und sich vor möglichen Konsequenzen drücken. Diese Behindertenrechte werden von Verwaltung und Politik in Sonntagsreden immer gern hoch gehalten.

Und ich wette, wenn ich als Otto Normalverbraucher (und Rollstuhlfahrer, aber ohne blauen Parkausweis, weil nur Merkzeichen "G") mit eingeschaltetem Warnblinker "nur mal kurz" auf dem für schwerst gehbehinderte Menschen reservierten Parkplatz gestanden hätte und eine der Politessen des Bürgermeisters Zeitler hätte mich erwischt: Das Ordnungsamt hätte mich (zu Recht übrigens) kräftig zahlen lassen. Auf die Ausrede, eine städtische Politesse sei ja - weil (wohlweislich?) abwesend - gar nicht aktiv geworden, können sich die untertänigen Bußgeldbürokraten und ihr Chef Zeitler auch nicht wirklich herausreden: Es existiert ein Beweisfoto des sich bräsig auf dem Behindertenparkplatz breitmachenden Bürgermeister-Autos.

Aber so ist das leider wohl nicht nur in dem Städtchen Horb am Neckar: Alle Bürger sind gleich vor dem Gesetz - nur ein Bürgermeister Jan Zeitler ist gleicher. ("Bürgermeister" kann durch beliebige andere "Großkopferte ersetzt werden)

Jos van Aken

Hierzu einBericht im "Schwarzwälder Boten"

chronischLEBEN-Glosse: Horber Nachtwächter outet den wahren Übeltäter v. 25.06.2015

chronischLEBEN-GlosseNach Shitstorm über behinderten-ignoranten Bürgermeister:Ein Horber Nachtwächter outet den wahren Übeltäter

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Ein Bürgermeister und Dezernent für Recht und Ordnung eines schwäbischen Städtchens wird erwischt als er - selbst nicht im mindesten behindert - seinen Dienstwagen auf einem unübersehbar von seinen eigenen Mitarbeitern als "Schwerbehindertenparkplatz" beschilderten Stellplatz parkt - weil er es eilig hat. Ein Passant wundert sich und macht ein Foto von dem Dezernenten-Auto auf parkenden Abwegen. Das nicht gerade imageförderliche Bild landet in der Redaktion der Lokalzeitung, und eine örtliche Rollstuhlaktivistin, die ohnehin von den ihrer Meinung nach immer wieder nicht eingehaltenen Versprechungen just dieses Bürgermeisters in Sachen "Barrierefreiheit" enttäuscht ist, kritisiert den dokumentierten Rechtsbruch des obersten Rechte-Hüters des Städtchens Horb am Neckar.

Der ertappte Bürgermeister Jan Zeitler ist alles andere als "amused" - menschlich verständlich. Der Horber Dezernent für Recht und Ordnung "erklärt" seine fragwürdige Beugung des Rechts behinderter Menschen damit, es sei "Gefahr im Verzug" gewesen. Es steht zu vermuten, dass der biedere Schwabe eifriger Konsument von Krimis ist: In denen ist ja auch immer wieder die schwurbelige und gummiartig dehnbare Ausrede einer wie auch immer gearteten "Gefahr im Verzug" flugs zur Hand, wenn brave Ordnungshüter zu Rambos mutieren.

Welche "Gefahr" hatte nun den rechtschaffenen hohen Beamten auf den Behindertenparkplatz getrieben? Bedrohte gar ein Meuchelmörder seinen Vorgesetzten, den Herrn Oberbürgermeister, und er als treuer Untergebener musste ihn retten? Oder galt es, unerschrocken einen Dieb auf frischer Tat zu ertappen, der den Stadtsäckel oder die Amtskette mopsen wollte

Was war da nur los im idyllischen Städtchen am Rande des Schwarzwaldes?

Das traditionelle "Erdbeerfest" wurde gefeiert an jenem Tag, und der Bürgermeister tat, was er am besten kann: Er repräsentierte - sich und die nach Eingemeindungen auf 26.000 Einwohner angewachsene Große Kreisstadt (1970 war Horb a.N. noch ein 5.000-Seelen-Städtchen). Auf dem Heimweg erreichte den Beamten dann die Schreckensnachricht, dass doch tatsächlich ins Rathaus eingebrochen wurde.    

   Schwarzwald-Sherlock Holmes?    

Klarer Fall: Gefahr war im Verzug.

Der begeisterte Hobby-Kriminologe wusste, was zu tun sei - und zwar schleunigst. "Ich bin schnell umgekehrt, weil ich dafür sorgen wollte, dass niemand die Türen berührt, damit keine Spuren verwischt werden. Auch wollte ich dafür sorgen, dass jemand zur Absicherung dort steht". Und dabei er dann mal fix seinen Wagen da geparkt, wo er "eigentlich" nicht parken darf.

Nach Spott und herber Kritik in der Lokalpresse und im Internet trat der sich keines Unrechts bewusste oberste Hüter für Recht und Ordnung (und für den sprichwörtlich ruhenden Verkehr) die Flucht nach vorne an. Für sein geschildertes Handeln habe er schließlich einen Zeugen - der sonst gewiss clevere Schwabe merkte gar nicht, dass er selbst sein schönes "Gefahr-im-Verzug-Ausrede-Gebäude" mit diesem nützlichen Zeugen zum Einsturz brachte.

Wie gesagt: Ein "prominenter Zeuge" soll es nun richten, wie das Lokalblättchen es am Tag nach dem Shitstorm im "Tor zum Schwarzwald" kolportierte. Bei diesem die Unschuld des Bürgermeisters bezeugendem Prominenten handelte es sich um niemand Geringeren als einen der drei (folkloristischen) Nachtwächter der Stadt mit ihrem Schurkenturm und der übrigen historisch erhaltener Altstadt.

Der Nachtwächter hatte den Einbruch (über den weiter in den Medien - wohl mangels Folgenschwere der Tat - nicht weiter berichtet wurde) entdeckt. Als gewissenhafter Vertreter sei ner Zunft blieb der "prominente" Leumundszeuge vor Ort - war aber anscheinend nicht in der Lage, dafür zu sorgen, "dass niemand die Türen berührt": Das überließ er einem Berufeneren, besagtem Bürgermeister, der dann wegen "Gefahr im Verzug" usw. usw. . .

   Nachtwächter und Bürgermeister - Duo infernale   

Der prominente Horber Nachtwächter mit dem wunderschönen urschwäbischen Namen (nein, nicht Nächtle, sondern) Raible, beteuert nicht nur bieder die Rechtschaffenheit seines Bürgermeisters, sondern schreibt im Schwarzwälder Bote" dem frechen Menschen, der den wahrscheinlich schon von Amts wegen zu keinem Rechtsverstoß fähigen zweithöchsten Verwaltungsbeamten von Horb beim Parken auf dem Schwerbehindertenparkplatz beobachtet und das mit einem Foto dokumentiert hatte, Klartext ins Gebetbuch. Die Lokalzeitung zitiert den Retter der weißen Weste des Bürgermeisters, der sich wohl auf die mittelalterliche Tugend aller Übeltäter besann: Die pflegten bekanntlich mögliche Verfolger mit dem beherzten Ruf "Haltet den Dieb" auf falsche Fährten zu locken.

Das Urteil des Nachtwächters Raible über den Familienvater, der den Bürgermeister erwischte und sein mangelndes Unrechtsbewusstsein öffentlich machte: "Ich persönlich finde es (...) von dem jungen Mann schlicht und einfach unverschämt, Herrn Zeitler in solcher Weise zu diffamieren und rate ihm dringend, sich bei ihm zu entschuldigen."

Wie gesagt: Haltet den Dieb ...

Jos van Aken

Siehe auch: Bericht  "Schwarzwälder Bote" v. 24.06.2015



Bericht chronischLEBEN v. 23.06.2015
Hoher Verwaltungsbeamter parkt auf Schwerbehindertenparkplatz: Bußgeld? Nein danke ...


Jeden Samstag das gleiche: Pillen, Pillen, Pillen

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... für Sonntag, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag

chronischLEBEN-PraxistestSoweit die Akkus tragen ... Realistischer Rollstuhl-Stresstest mit e-fix

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Zwei Akkus unterm Rollstuhl geben mehr Sicherheit
Geht Blogger Jos jetzt unter die (Möchtegern-)Tester? Nicht wirklich. Aber es ist bekanntlich nicht ratsam, blindlings den bunten Prospekten der Hilfsmittel-Hersteller oder den mit Kennermiene verstärkten Versprechungen der Verkäufer im Sanitäts-Fachhandel zu glauben; letztere lassen sich nur ungern als schnöde Verkäufer bezeichnen lassen. Sie treten uns vielmehr vertrauenswürdig-hilfsbereit als Fachberater gegenüber (das sind sie günstigenfalls auch) - nur: auch die wollen nur unser Bestes - und das ist am Ende immer unser Geld.

Voreiliger Vertrauensvorschuss kann sich im Umgang mit den uns angepriesenen Hilfsmitteln später als, sagen wir unbefriedigend herausstellen. Egal, welcher Anbieter gerade die höchsten Rabatte gewährt oder die verlockendsten teuren und immer privat zu zahlenden Extras im Angebot hat: Wir lernen im Beratungsgespräch, mit fröhlichen Bildern sorgenfreier unbeschwerter Behinderter in Prospekten illustriert, das wir so oder so mit Technik unterwegs sein werden, die begeistert, die uns im Rollstuhl mit E-Antrieb eine so gut wie heile Behinderten-Welt beschert.

Was so ein sowohl die Etats der von uns finanzierten Krankenkassen als auch unser Girokonto arg strapazierender chicer Rollstuhl oder die HighEnd-Motoren, die sie antreiben, wirklich taugt, zeigt sich erst im Alltag, vor allem, wenn wir die Hilfsmittel und ihre uns die Teilhabe am Leben erleichternden Features echt bis an ihre - vor der Beschaffung - versprochenen Grenzen fordert.

Datenblätter sind nun einmal genau so geduldig, was den Vergleich mit der Alltagsrealität betrifft wie die schwammigen Euphemismen der Berater, die allenfalls vorsichtig die im Labor gemessenen Maximalwerte relativieren. Und ehrlich gesagt halte ich nur begrenzt etwas von "unabhängigen" Verbrauchertests. Die sind durchaus wichtig - vorausgesetzt, sie wurden tatsächlich von Fachleuten erstellt, die wirklich unabhängig von Hersteller oder vom Handel sind. Aber kaum ein testender Experte - und sei er noch so "neutral" - kann wissen, was gerade für uns wichtig ist: Das ist von Mensch zu Mensch, der auf so ein Hilfsmittel angewiesen ist, ganz unterschiedlich.

   Experten testen gern - aber für wen?   

Dennoch stöbere ich natürlich wie wir alle in solchen Erfahrungsberichten und Tests: Sie geben mir erste Hinweise auf die Tauglichkeit eines Produkts für mich. Ich stelle aber einigermaßen ernüchtert immer wieder fest, dass die testenden Experten zwar jede Menge Wissen haben, aber dann doch wieder mit der oder jener Firma fest verbandelt ist - leider wird das zu oft verschleiert.

Wenn ich selbst mir hin und wieder Hilfsmittel genauer anschaue in meinem Alltag - und meine Eindrücke zum Beispiel hier im Blog chronischLEBEN oder Facebook-Gruppen für behinderte Menschen zusammenfasse, dann ist das zwar weitestgehend "unabhängig", weil niemand mich dafür bezahlt oder mich mit (Dauer-)Leihgaben ködert. Aber das, was ich so erlebe und manchmal sogar überlebe mit mit diversen Hilfsmitteln (ein gerätebedingter Unfall hätte bös ausgehen können), das gilt in erster Linie nur für mich selbst. Andere haben mit Sicherheit ganz andere Ansprüche zum Beispiel an ihren Rollstuhl oder Antrieb, und sie nutzen die Hilfsmittel ganz individuell. Was mir wichtig ist, kann anderen völlig nebensächlich sein - und umgekehrt.

Auch dieser "Akku-Test" kann mit Sicherheit das Experten-Wissen über Technik nicht ersetzen. Technisch bin ich nämlich eine ziemliche Nullnummer. Es geht ausschließlich um meine ganz persönlichen Erfahrungen dieses - neben anderen technischen Finessen - wichtigen Bestandteils des Systems, das den "Stoff" liefert,,der meinen Falt-Aktivrollstuhl antreibt, lenkt und bremst, wenn ich an einem Joystick "rudere".

Zugegeben, aktives sportliches Rollstuhlfahren geht anders. Aber wenn ich längere Strecken (mehr als das unbeschwerte Rollen durch den Supermarkt) vor mir habe, lasse ich den leichten Starrrahmen-Aktiv-Rollstuhl mit "Handbetrieb" ohne Bedauern zuhause und fahre bequem und mit der Hand am Joystick in meinem Aktiv-Falter, der von e-fix-Rädern angetrieben wird.

Eine der zentralen Fragen, die sich bei der Entscheidung für so einen relativ leichten faltbaren Rollstuhl, der sich mitsamt dem zusätzlichen Elektroantrieb auch im Kofferraum eines älteren VW-Polo verstauen und doch Platz für Einkäufe und sonstiges lässt, ist die nach der Stromversorgung. Der dumme Spruch: "Bei mir kommt der Strom aus der Steckdose" ist da weniger hilfreich (wer hat schon eine Steckdose in der Hosentasche ...)

   Bei mir kommt der Strom (nicht) aus der Steckdose ...   


Es geht also um das viel diskutierte Thema "Die Hassliebe zum Akku - oder: Soweit die Akkus tragen". Stolze Kutscher beiderlei Geschlechts, die mit monströsen, aber richtig bequemen, großen und gut gefederten Rollstühlen souverän durch Straßen und übers Gelände cruisen, ohne weiter Gedanken an die Eignung des Untergrunds, auf dem sie unterwegs sind, verschwenden zu müssen, grübeln selten über die Ausdauer der mobilen Stromversorgung ihrer rollenden Hilfsmittel - oder nur dann, wenn auch ihr Akku irgendwann leer ist wie ein Weinfass nach einer pompösen trinkfreudigen Hochzeitsfeier.

Dieser dann allerdings einigermaßen katastrophale Zustand wird bei besagten großen schweren E-Rollstühlen in der Regel aber frühestens nach etwa 30 km erreicht. Mittlerweile gibt es stylische Rollstuhl-Segways, die mit neu entwickelten Akkus an die 70-80 km munter dahinrollen, bevor sie an die bereits erwähnte Steckdose müssen.

Für die (trotz der jeweils 9 kg schweren Antriebsrädern) relativ leichten und eher "zierlichen" Aktiv-Rollstühle mit dem beliebten und weit verbreiteten e-fix-Antrieb der Firma Alber stellt sich die bange Frage nach dem irgendwann versagenden, weil "leer gefahrenen" Akku viel früher als bei den massigen E-Rollstühlen. In diesem Zusammenhang: Die neue Version des e-fix, der e35 ist wesentlich leichter: die Räder wiegen jeweils nur noch knapp 8 kg, und der neue Lithium-Ionen Akku des e35 bringt sogar nur noch 2 kg auf die Waage - ein Federgewicht, verglichen mit dem Akku des heute immer noch in den Sanitätshäusern zu sehenden Vorgängermodell e25 (das ich selbst fahre) Da wiegt der Bleigel-Akku satte 9 kg.

   Geschönte Labor-Reichweiten nicht nur ein "dirty trick"  

Wer sich mit der Versorgung mit Zusatzantrieb am Aktiv-Rollstuhl beschäftigt, erfährt bei der Beratung im Sanitätshaus allerdings wenig konkretes. Zwar wird durchaus korrekt darauf hingewiesen, dass es sich bei der in den Prospekten und Datenblättern genannten Reichweite mit dem "kleinen" Standard-Akku von 16 km um sogenannte "Laborwerte" handelt, die nur unter idealen Verhältnissen zu erreichen sind; diese Tatsache steht auch im Kleingedruckten der Prospekte - mehr aber auch nicht. Es ist übrigens nicht unbedingt ein "dirty trick" der Verkaufsstrategen, dass - auch für das neue e-fix-Modell e35 - solche rein statistische Werte für die Akku-Reichweiten genannt werden: Wünschenswert für uns Verbraucher wären aber schon einige zusätzliche Mindestreichweiten für den realen Rollstuhl-Alltag unter verschiedenen Bedingungen

Und diese Bedingungen habe ich mittlerweile gut acht Monate lang Tag für Tag nach dem Motto "testing by rolling" ausgetestet. Im Schnitt bin ich täglich drei bis vier Stunden im Rollstuhl unterwegs, teils im Bus, teils selbst fahrend (zu Hause bin ich nicht auf den Rollstuhl angewiesen, da ich einige Meter noch laufen kann). Mit 103 kg bringe ich deutlich mehr auf die Waage und in den Rollstuhl als der Fliegengewicht-Mustermensch mit lächerlichen 70 kg, die für die offiziell genannten Werte des Herstellers herhalten mussten.

Meine Raststelle beim Akku-Dauertest. Pause nach etwa der halben Strecke in einem "Baumhaus"
Zunächst der Akku-Stresstest im (nicht ständig unterbrochenen) Dauerbetrieb bei Höchstgeschwindigkeit (6 km/h) - ein Ausflug über die Distanz von (zunächst geschätzt 12 km in eines der schönste Naherholungsgebiete meiner Heimatstadt Braunschweig - an und um die Riddagshäuser Teiche, wo bereits im Mittelalter Zisterzienser-Mönche Karpfen züchteten. Vor allem wollte ich wissen, was der Akku meines e-fix nach ca. 8 Monaten täglichem Einsatz noch so drauf hat (oder eigentlich: drin hat)

Mit dem Testergebnis bin ich zufrieden. Die Strecke war mit so ziemlich allen denkbaren positiven wie eher akkubelastenden Untergründen gespickt - vom Gehweg mit Platten über Waldwege bis hin zu steinigem Holper-Untergrund, mit Steigungen und Gefällstrecken (die wieder ein wenig Strom in den Akku speisen).

Dazu dann doch viele, eigentlich nicht geplante Pausen mit Anfahren und Anhalten. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Der letzte Balken auf der Akkuanzeige verabschiedete sich erst nach mehr als 12 km. Unter nervendem Alarmpiepen war es aber kein Problem, den noch fehlenden knappen Kilometer bis zur häuslichen Steckdose per Joystick anzusteuern.

Übrigens hatte ich sicherheitshalber meinen zweiten Akku (der allerdings nicht mehr gar so gut drauf ist) hinten unterm Rollstuhl hängen; aber: Ich brauchte ihn dann doch nicht.

Diese Testfahrt kann man nicht verallgemeinern. Es ist wichtig, solche Praxiserfahrungen differenziert zu sehen. Zum einen haben wir gerade mit sommerlichen Temperaturen von. über20 Grad Celsius geradezu "paradiesische" Verhältnisse für Akkus (endlich). Die haben es nämlich gerne mollig warm.

   Akkus mögen es kuschelwarm - Leistungseinbruch bei Frost   

Bei Minustemperaturen im Winter müssen wir immer damit rechnen, dass eine Akkuladung (geschätzt) ein Drittel weniger lang hält. Ich erinnere mich aber daran, dass mein damals gerade mal wenige Wochen alter e-fix-Akku mich am 2. Weihnachtstag bei Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt immerhin elf Kilometer weit brachte - teilweise in schwierigem Gelände, allerdings ohne viele Zwischenstopps und/oder häufiges Bremsen/Beschleunigen (das verkürzt nämlich die Reichweite zum Teil auch erheblich - dazu später mehr). Die, ehrlich gesagt, nicht von mir erwartete Reichweite zu Weihnachten bei Frost war allerdings kein verspätetes Geschenk zum Fest - es lag einfach daran, dass der Akku so gut wie neu war.

Denn Akkus haben - wie wir selbst auch - eine mehr oder weniger begrenzte Lebenserwartung. Während für die neuen leichten Lithium-Ionen-Akkus des e-fix e25/35 immerhin eine Garantie von 24 Monaten gegeben wird, berichten Rollstuhlfahrer, die sehr viel und sehr weit unterwegs sind mit älteren Modellen wie dem e25 oder gar e20, dass schon nach acht Monaten ein Akku-Wechsel nötig wurde. Ich selbst mache die Erfahrung, dass der Akku meines e-fix auch nach acht Monaten noch die erwähnte recht passable Leistung bringt.

Zum anderen schwanken die Akku-Durchhaltquoten je nach Fahrweise (und bekanntlich Untergrund) sehr stark. Ein (Extrem-)Beispiel: Vor ein paar Wochen war ich mit meiner Frau in Hannover auf dem extrem kopfsteingepflasterten Steintor-Platz zu einem "Stoffmarkt" unterwegs und nutzte anschließend die Gelegenheit, wieder einmal einen der schönsten Botanischen Gärten Deutschlands, den Berggarten in Hannover-Herrenhausen, in Ruhe zu erkunden. Für den Akku bedeuteten sowohl das rollstuhlunfreundliche hohe Kopfsteinpflaster des Steintor-Platzes als auch die zum Teil recht unebenen und weichen Wege im Berggarten Stress pur. Zu den alles andere als Reichweiten fördernden Rollflächen kam bei beiden "Locations" das ungünstige ständige "Stop and Go", weil wir alle paar Meter anhielten.

Da war der Akku am Abend nach gerade mal 6 Kilometern fast leer (nur noch ein Balken in der Ladeanzeige) - und dann ist es schon sehr beruhigend, einen zweiten Akku zur Reserve unter dem Rollstuhl hängen zu haben - die zusätzlichen weiteren 9 kg sind das kleinere Übel.

   Boxenstopp - besser mit Assistenz   

Gefragt wurde ich in einer Facebook-Gruppe, wie behindertenfreundlich ein zweiter Akku unter dem e-fix zu handhaben ist - vor allem: Ob man den Akku im Rollstuhl sitzend wechseln kann.

Leider ist das kaum möglich. Wer also nicht noch ein wenig beweglich ist und auch damit zurecht kommt, in der Hocke mit einer gehörigen Portion an Feinmotorik tätig zu werden, ist für den Akkuwechsel unterwegs auf Assistenz angewiesen.

Ich muss beim e-fix zwar lediglich den Stecker am Verbindungskabel zum Bediengerät und den e-fix-Motoren vom vorne eingehängten Akku auf den zweiten umstecken, der hinter der Achse montiert ist. Möglich, dass das mit akrobatischen Verrenkungen machbar ist - allerdings versperren die e-fix-Räder den Zugriff.

Ich selbst kann wie erwähnt noch aufstehen aus dem Rollstuhl, und bocke für den Akkuwechsel den Rolli mithilfe der beim e-fix obligatorischen Kippsperren auf. Dann ziehe ein Rad ab und stecke das Kabel um. Auch für mich bedeutet das eine Strapaze, bei der ich ausnahmsweise gerne Hilfe in Anspruch nehme (falls greifbar).

Aber das ist immer noch besser, als mit leer genudeltem Akku und einem dummen Gesicht in der Botanik rumstehen (oder sich schieben lassen bei ausgekoppeltem Antrieb).

Jos van Aken

chronischLEBEN in eigener Sache: Nach berechtigter Leser-Kritik:Unvereinbare Werbung im Blog gestoppt

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In eigener Sache: Ich habe mit sofortiger Wirkung alle kommerziellen Werbeanzeigen wieder von dem von mir verantworteten Blog chronischLEBEN genommen, nachdem berechtigte Kritik an diesen Veröffentlichungen geäußert wurde: Ein Beiratsmitglied der von mir kritisch begleiteten Hilde Ulrichs Stiftung schrieb mir unter anderem:
"Die Tatsache, dass Du Deinen blog nunmehr mit Werbung finanzierst, hast Du mit der schlichten  Versicherung von jeglichem Verdacht reingewaschen, dass Du irgendwelche Abhängigkeit  einfach verneinst. Und damit ist die Angelegenheit für Dich erledigt."
Damit war und ist - die Angelegenheit für mich keineswegs "erledigt". Und : Sachlich ist auch die Behauptung, dass ich den Blog "nunmehr mit Werbung finanziere" falsch. Dazu weiter unten mehr. Die Kritik als solche ist dennoch berechtigt - zumindest was einige  Inhalte der kommerziellen Werbung, die drei Wochen in chronischLEBEN angeht.

Ich war bei der Nutzung der Adsense-Funktion in "Blogger" (wohl etwas blond-blauäugig) davon ausgegangen, dass genau umrissene Inhalte in der (im Einzelfall nicht von mir geschalteten Werbung) kategorisch ausgeschlossen werden können. Entsprechend hatte ich das "adsense"-Feature programmiert, das solche Werbung grundsätzlich erlaubt.

Leider stellte sich heraus, dass die Firma Google, die verantwortlich für das Schalten der Anzeigen ist, sich nicht an die Vorgaben hält. Ich habe deshalb die Werbung wieder komplett aus meinem Blog herausnehmen. Ich kann es mit meinem Selbstverständnis von kritischer Dokumentation, Information und Kommentierung meiner Schwerpunktthemen nicht in Einklang bringen, dass in dem von mir herausgegebenen Blog Werbung für ausgesprochen fragwürdige Produkte und/oder Dienstleistungen geschaltet wird.

   Steine aus dem werbenden Stiftungs-Glashaus   

Das kritisierende Beiratsmitglied der Hilde Ulrichs Stiftung hat - wenn auch in diesem Fall durchaus berechtigt, so doch aus einem sprichwörtlichen Glashaus mit Steinchen nach mir geworfen. Mich würde nämlich durchaus  interessieren, wie die Stiftung es mit ihrer Satzung und ihren Zielen vereinbaren kann, dass ihre Geschäftsführerin sich (mit ausdrücklichem Hinweis auf ihre Funktion) in Facebook werbend stark macht für ein rein am Kommerz orientiertes Fitness-Center.

Zum Hintergrund des gescheiterten Werbe-Experiment im Rahmen des Blogs chronischLEBEN: Ich bin seit meiner Parkinson-Diagnose aktiv in der Internet-Szene mit den Themenschwerpunkten "chronische Krankheiten sowie Teilhabe und Inklusion für Menschen mit Behinderungen". Dass mein gesellschaftskritischer Ansatz, mein Bekenntnis zu einer linken Politik und mein gelegentliches Schwimmen gegen den gefälligen Mainstream von vielen misstrauisch bis hasserfüllt gesehen wird, war zu erwarten und wundert mich weiter nicht.

Anders als Vereine, Stiftungen oder andere Organisationen fühle ich mich in meinem Engagement allerdings als einzeln agierender Mensch wohler und vor allem unabhängiger. Das bringt es nun mal mit sich, dass ich sämtliche Kosten, die auch mir natürlich durch eine solche ehrenamtliche Arbeit entstehen, alleine aufbringen muss. Groß sind diese Summen nicht, aber (abgesehen von dem Einsatz meiner Arbeitskraft) belastet das mein persönliches Budget doch ein wenig (ich teile das "Schicksal" von zigtausenden alten und behinderten Menschen, die an sich gerade so auskommen mit ihren Renten - aber auch damit habe ich keine existenziellen Probleme.

   Selbstzahler ohne Wenn und Aber   

Es bleibt die Tatsache, dass ich - anders als die erwähnten Vereine oder Stiftungen - selbst für alles aufkommen muss. Mein gescheitertes Experiment der Schaltung von Anzeigen, die mich nicht in Interessenkonflikte bringen sollten, hätte bestenfalls einen winzigen Bruchteil meiner Aufwendungen für mein ehrenamtliches Engagement funanziell abgedeckt.

Aber wie gesagt: Werbung für Inhalte, denen ich kritisch gegenüber stand und stehe, will ich nicht in dem von mir herausgegebenen Blog. Deshalb findet sie ab sofort nicht mehr statt.

Das Hilde Ulrichs Beiratsmitglied hatte sich in seinem Schreiben nicht nur zu Recht über das Experiment mit unpassender kommerzielle Werbung beschwert, sondern bemängelte auch explizit Blog-Inhalte, die sich mit mobilisierenden Hilfsmitteln wie Rollatoren umd Rollstühlen beschäftigen. Hintßergrund seines Ärgers könnte (aber das ist nur eine Vermutung) sein, dass der ebenfalls seit langem an Morbus Parkinson erkrankte Mensch nicht mit seiner Erkrankung und den Einschränkungen, die sie für jeden mehr oder weniger heftig mit sich bringt, klar kommt - unter anderem quälte er sich bis vor ein paar Jahren mit einem anderen "jugendbewegten" Parkinson-Patienten mittenmag seiner mutmaßlichen männlichen Wechseljahre auf einem Rennrad über Alpenpässe. In dieses Selbstbild passen möglicherweise Rollatoren und Rollstühle nicht so recht.

   Auch wer (noch) sein Rennrad schiebt sollte nicht Rollstuhlfahrer diskriminieren ...   

Solche, im Grunde genommen, hilflose Krittelei an doch eher harmlosen Berichten über die Tauglichkeit von Rollatoren und Rollstühlen hat allerdings einen ernsthaften Hintergrund, fürchte ich. Ich habe mir deshalb die Mühe gegeben, ihm aus meiner Sucht angemessen auf seine Tiraden über Hilfsmittel zu antworten hier meine Antwort im Wortlaut:
Was relativ häufige (kritische) Berichte über die Tauglichkeit von Rollatoren und Rollstühlen angeht: Im Gegensatz zu "Rennrädern" sind das aus triftigem Grund von den Kostenträgern anerkannte Hilfsmittel, die bei entsprechenden medizinischen Indikationen unabdinglich sind zur Teilhabe am Leben.
Sich über Berichterstattung zu Hilfsmitteln diskriminierend zu äußern ..., ist erbärmlich und - mit Verlaub - dumm. Ich wünsche dir von Herzen, dass du bis an dein seliges Ende auf solche Hilfsmittel nicht angewiesen bist; lese aber an anderer Stelle mit Sorge, dass es auch bei dir nicht mehr weit her ist mit der beglückenden und stylischen Radelei.
Ich kann dich allerdings beruhigen. Hilfsmittel zur Mobilisierung wie Rollator und sauber angepasster und ausgestatteter Rollstuhl "fesseln" dich nicht - das Gegenteil ist der Fall. Nicht nur ich bin regelrecht entfesselt, seit ich diese Mittel zur mit großem Vergnügen und Erleichterung im Wortsinn nutze.
Jos van Aken
   Transparenter Stiftungsstreifen    

Nachtrag: Gerade erreicht mich eine weitere Nachricht des Beiratsmitglieds der Hilde Ulrichs Stiftung: Darin stellt er - nachdem mir bisher eine klare Antwort auf eine berechtigte Fragen in Bezug Spesen- und Aufwandsentschädigungen-Praktiken der Stiftung und ihrer Funktionäre verweigert wurden - klar, dass die Geschäftsführerin der Stiftung und ihr Ehemann auf komplett eigene Kosten (also nicht mit später abzurechnender Spesen-Rechnung) an einem Fototermin der Stiftung in Istanbul teilnimmt.

Immerhin: Ein transparenter Silberstreifen am ansonsten weiterhin undurchsichtigen Stiftungshorizont.

Gedanken zum Bild (mit und ohne Rollstuhl)Höhenflüge und geniale Abstürze - beides nicht wirklich meins

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Bilder im Kopf


Nicht wirklich mein Ding - nicht nur, weil mir gerade wieder die fehlende Divergenz zwischen gefühltem und amtlichen Alter klar wird. Aber wenn ich so an die vierzig läppische Jährchen jünger ...
... wollte ich ehrlich gesagt aber schon damals nicht um jeden Preis ganz hoch hinaus, nur um dann möglichst beeindruckend um so tiefer zu fallen zu dürfen.

Ich könnte aber auch einfach eingestehen, dass ich nicht erst in späten Jahren mit den üblichen demütig machenden Zipperlein zum elenden Feigling mutierte.

Andererseits wäre es ja durchaus im Bereich des Möglichen, dass mein messerscharfer Verstand mich immer schon nach sorgfältigem Abwägen von Risiko und Chance vor solchen (sportlichen) Höhenflügen bewahrt hat - Ausnahmen bestätigen usw. usw.

© 2015 Bild & Text: Jos van Aken
Der Text entstand gestern ursprünglich als ironisch-begeisterter Kommentar zum Video eines Rollstuhl-Artisten, der sich mit traumwandlerischer Sicherheit eine 10 Meter hohe (und tiefe) WMX-Halfpipe hinabstürzt (mit "Happyend" - die bildliche Analogie des Braunschweiger Türmers, der aus dieser Perspektive kurz vor dem Sprung in die Tiefe zu stehen scheint und dem himmelstürmenden Flieger drängte sich mir da auf.

Es muss nicht immer Malle sein (war ich eh nicht)Mit Rad und Rolli gemeinsam auf Tour ...Es läuft - aber nicht wirklich rund und zusammen

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Gut die halbe Strecke geschafft. Erholungswert 100 Punkte, Gemeinsames Erleben eher eingeschränkt
Fotos und Text: Jos van Aken
Meine Frau und ich sind nicht so die Weltreisenden. Nach Auslandsreisen in jungen Jahren habe ich zum Beispiel festgestelt, dass es anderswo auch sehr schön ist - aber im Umkreis von Tagesausflügen eben auch. Beides hat seine eigenen Reize. Die Schönheiten in der näheren Umgebung haben den Vorteil, dass wir sie immer wieder und immer wieder neu erleben. Und - wir entdecken sogar immer wieder Neues, sozusagen vor der Haustür. Unsere "Reisegewohnheiten" erklären vielleicht, warum der fortschreitende Verlust der munteren Gehfähigkeit uns zunächst nicht allzu sehr einschränkte: Mit Rollator war ich ja noch gar nicht mal so schlecht zu Fuß unterwegs - und ich konnte ja sogar noch Radfahren (typisch übrigens für viele Parkinsonkranke, wenn sie Glück haben sogar in fortgeschrittenen Stadien.
Teichidylle am Kleidersellerweg bei Riddagshausen

Nach meinem Umstieg in den Rollstuhl mit Zusatzantrieb mussten wir dann ein wenig verblüfft feststellen, dass plötzlich ich der Schnellere war, wenn meine Frau mich zu Fuß begleitete: Bei 6 km/h droht zwar kein ausgesprochener Geschwindigkeitsrausch, aber die meisten Fußgänger überhole ich damit doch locker. Also musste ich sozusagen mit angezogener Bremse über die Wege rollern, damit meine Frau (oder andere Begleiter) neben mir nicht "aus der Puste kamen bei weiteren Strecken.


Heute haben wir eine neue Kombination des gemeinsamen Ausflugs- und Wandervergnügens ausprobiert: Ich wie immer im Rollstuhl , den Joystick bis zum Anschlag auf "full speed" nach vorn geschoben. Neben mir: Meine Frau auf dem Fahrrad.


Zwischendurch mal ein gemeinsames "Beweis-Selfie"

Da sie eigentlich nie dem Ehrgeiz frönte, an der Tour de France oder ähnlichen exzessiven Radel-Orgien teilzunehmen, überdies sich in jüngeren Jahren wiederholt bitter darüber beschwerte, dass ich (damals noch pumperlgsund) ihr ständig davon radelte, war ich sicher, dass sie zwar bei meinem flotten Rollstuhltempo mithalte, aber mehr auch nicht.

Unser Testergebnis: Rollstuhl und Fahrrad passen zusammen - aber nicht sonderlich gut.

Kunst am Bau - hinter der Klosterkirche Riddagshausen
Bei aller Neigung zu gemächlichem, Kreislauf und Muskeln nicht unbedingt strapazierendem Radler-Stil, stellte keine geplagte Frau doch fest, dass eine"Höchstgeschwindigkeit" von 6 Stundenkilometern auf dem Rad über eine längere Strecke kaum durchzuhalten ist. Kaum zu glauben: Die Trödelei ist anstrengend. Von Fahrspaß konnte nicht wirklich die Rede sein. Alle Naslang fuhr sie mir - ohne es eigentlich zu wollen - auf und davon und musste dann wieder geduldig auf mich warten - wenn sie Wert auf meine Anwesenheit und das gemeinsame Freizeitvergnügen legte (sie behauptet glaubwürdig, das sei der Fall, und mir geht es nicht anders)

Eine wirkliche Lösung des Problems haben wir nach den heutigen rund 15 Kilometern Wegstrecke noch nicht gefunden.

In Frage kämen eventuell ein konventionelles Dreirad, das ich aber erst testen müsste, ob ich damit zurecht komme, oder ein Vorspann-Handbike für meinen zweiten (manuell betriebenen) Starrrahmen-Aktivrollstuhl.

Und bei dem stellt sich auch die Frage, ob meine Handgelenke der Kurbelei standhalten - vielleicht mit meinen Orthesen. Fragen über Fragen. Aber wir werden sie beantworten und dann handeln. Unser gemeinsames Outdoor-Vergnügen lassen wir uns nämlich von so einer Kleinigkeit wie dem Parkinson nicht verderben.

Übrigens: Trotz aller "Unverträglichkeiten" zwischen Rollstuhl umd Fahrrad haben wir unsere Fahrt heute in vollen Zügen genossen -manchmal sogar gemeinsam.

Jos van Aken

Durchs Pförtnerhaus des Klosters Riddagshausen und zurück nach Hause

Vorstandssitzung nach SelbsthelferartDreigroschenromane - es gibtsie noch: Wenn die Paola mit dem Jeff

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Ein richtiger Dreigroschenroman hat gefälligst damit zu enden, dass zwei, die eigentlich erst mal gar nicht aufeinander passten, sich doch noch bekommen (und dann ganz lieb haben - allen Widrigkeiten und Spöttern zum Trotz).  Das gilt nach wie vor, das ist ein ehernes literarisches Gesetz wie in Bleilettern gegossen. Die schönsten, die unglaublichsten Groschenromane werden aber gar nicht auf billigstes Papier gedruckt oder flimmern als Daily Soap über die Bildschirme: Die besten schreibt doch immer noch das Leben. Ich genieße gerade solch eine Romanze aus dem bunten lustigen Selbsthilfe-Leben und warte gespannt auf die nächste Folge.  Übrigens verstärkt sich mein Eindruck, dass aus der kleinen Romanze längst eine (Real)Satire geworden ist - nur: Die handelnden Personen merken es möglicherweise gar nicht. 

Worum es geht? Da haben sich zwei zwar gar nicht gesucht, aber sie haben sich dann doch gefunden.  Einer der ehernen, einst von Dienstmädchen mit feuchten, sagen wir Augen, geschmökerten, von der Herrschaft (weiblichen Geschlechts - ist das die Damenschaft?) heimlich genossenen Herz-Schmerz-Geschichtchen, war und ist, dass die beiden, die vom Schicksal oder dem chronisch unterbezahlten  Soap- oder Groschen-Schreiberling zum Happy-End verurteilt sind (das ist so eine Art Höchststrafe), überhaupt nicht zueinander passen - passt auf unseren kleinen Dreigroschen-Roman hier.

   Chefarzt und Krankenschwester geht immer   

Was hätten wir denn im Standard-Angebot? Chefarzt und Krankenschwester geht immer. Gutsherr und Stallmagd zur Not auch noch - wenn auch gewissermaßen ein wenig anrüchig. Da ist Millionär in Hotel-Suite und Zimmermädchen schon besser - da droht aber möglicherweise Untersuchungshaft und ein gehöriges Lösegeld. Irgendwie ist die Auswahl an Protagonisten eben  doch  beschränkt - habe ich immer geglaubt. 

Bevor ich das Rätsel auflöse noch eins: Ich enthalte mich  seit vielen Jahren jeglichen Alkohols und anderer möglicherweise berauschender Substanzen. Ich schnupfe nicht mal Puderzucker, um zumindest den Eindruck einer gewissen Coolness und Verruchtheit zu erzeugen. Dennoch zweifelte ich zunächst an wahlweise meinem bislang leidlich klarem und kritischem Verstand oder meiner Sehfähigkeit. Auch die Möglichkeit halluzinativer Nebenwirkungen meiner Parkinson-Pillen zog ich durchaus in Betracht.

Aber ich konnte es drehen und wenden nach Herzenslust: Von welcher Seite auch immer beäugt blieb als nüchterner Fakt übrig:

Vereinsvorstand mit (Selbst)Helfersyndrom verliebt sich bei hitziger Sitzung in spätkapitalistischen Versandhändler und verdienten Big Brother Awards 2015-Gewinner. Der hatte bislang so gut wie gar nichts mit Selbsthilfe und selbstlosen Selbsthelfern zu schaffen  - außer beim Vertrieb naiver Lebensbeichten verhinderter Schriftsteller unter chronisch Kranken. Seine Spezialitäten waren vielmehr:  Steuerbefreiende Tricks, Gewerkschaftshetze und Tarif-Tiefstapelei, garniert durch konsequente und mehrfach preiswürdige  Missachtung des Datenschutzes der Mitarbeiter.  

Nennen wir die möglicherweise ab jetzt  in guten wie in schlechten Zeiten innig Verbundenen ruhig beim Namen: Die Helferlein, die per Anbahnung durch ihre Vorsitzende, eine gewisse Paola, den immer wieder von unwissenden Krittlern falsch verstandenen Versender Jeff Amazon  (eine Namensähnlichkeit mit dem Firmen-Gründer, Jeff B. wäre rein zufällig),  kennen gelernt haben, dessen ehrenwerte Firma seitdem ohne lästiges Wenn oder Aber mögen und heldenhaft verteidigen, haben in der Parkinson-Szene schon seit Jahren bei boshaft kritischen Beobachtern einen gewissen Namen und Ruf - nicht unbedingt wie der sprichwörtliche Donnerhall, aber immer noch besser ein kleiner mieser Ruf als gar keinen, pflegte meine lebenskluge Tante Elsa immer zu sagen. Kurz gesagt: Es geht mal wieder um einen kleinen, und früher mal ziemlich feinen Parkinson-Selbsthilfeverein.

   Wenn schon nicht mit den Pharmagiganten ...   

Der ist an sich nicht sonderlich bedeutend, scheint sich - wie viele andere Vereine auch seit einiger Zeit mehr auf die Beschaffung von Spenden und öffentlichen Zuschüssen zu konzentrieren, die dann wieder für überteuerte Großprojekte wie die Beauftragung eines Unternehmens mit der groß angelegten Neugestaltung eines für die um Karteileichen bereinigte gerade mal ein paar Handvoll aktive Nutzer absolut überflüssigen und überdimensionierten Internet-Auftritts mit vollen Händen ausgegeben werden. Nicht sehr erfreulich, zugegeben. Aber eben auch mittlerweile längst das Übliche.

Immerhin legen solche Selbsthelfer, die ihre eigenen einstigen Ideen und Ideale nach und nach überlebten, immer noch einen gewissen Wert auf zumindest den Anschein des freien, von schnödem Kommerz unabhängigen Aktivismus. Nähe zu Pharmakonzernen ist - Überbleibsel des damals noch kritisch-wachen Gründergeistes des Selbsthilfevereins - nach wie vor verpönt, wird aber längst nicht nur durch offen für Pharmafirmen  werbende einflussreiche Mitglieder des Vereins ebenso praktiziert wie durch die Vermeidung kritischen Hinterfragens nach dem Motto "da kann sich ja jeder seine eigene Meinung bilden". 

Sei's drum.

Neu und einigermaßen verblüffend allerdings - und da sind wir mitten im Plot unseres Dreigroschenromans - ist die Instrumentalisierung des Selbsthilfevereins und seines Forums durch den Vereinsvorstand zu einer PR-Agentur, die mit missionarischem Eifer für ein Wirtschaftsunternehmen  heldenhaft und mit der Inbrunst einer Sekte eintritt, zumindest dieses von kleinlichen an den Grundsätzen einer sozialen Marktwirtschaft immer noch hängenden Kritikern geschmähte Musterunternehmen des Online- Handels tat - und wortkräftig beim  und ist Feilen und Polieren seines zweifelhaften Images unterstützt. 

   Feine familiäre Bande  

Wer den Verein ein wenig kennt, wird sich nicht weiter darüber wundern, dass der Grund für die Erschließung des neue Betätigungsfeldes der einstigen Parkinson-Selbsthelfer familiär-innige Verstrickungen der vor Kurzem gewählten neuen Vorsitzenden mit einem oder gleich mehreren Amazon-Mitarbeiter zu sein scheinen. Die erste Annäherung wurde klug eingefädelt. Wie nämlich der Zufall es wollte - so gehört sich das nämlich in den Irrungen und Wirrungen des Dreigroschenromans -, lud die Vereinsvorsitzende zum krönenden Ausklang der jüngsten Vorstandssitzung ein, sich doch einmal die örtliche Niederlassung des US-amerikanischen Online-Vermarkters und Versenders anzuschauen. 

Warum auch nicht? Sowas bildet schließlich ungemein und ist immer ein Riesenspaß für jeden Vorstand, der auf sich hält. Aber wie haben sich die Parkinson-Vorständler doch gewundert (laut späterem Erlebnisprotokoll), als wie ein wahrhaftiger Jack-in-the-Box jener Gesponst der Vorsitzenden ("Pop goes the Weasel" gröhlend?) höchstpersönlich auftauchte und den begeisterten Selbsthelfern die Wohltaten der Firma Amazon nahe brachte. Im an einen Schulaufsatz über den Wandertag erinnernden Bericht des Vorstandes über seine  aufopfernde schweisstreibende Sitzung im Hessischen liest sich das dann so:

   "Immer fleißige Mitarbeiter"  

"Und dann gings los durch eine riesige Amazon-Halle mit ewig langen Gängen, hohen  Regalen, Packstationen, tausenden Kartons mit Schuhen, Klamotten, Handtaschen usw ...  Lagern, Fotostudios, Förderbändern ...  immer vorbei an fleissigen Mitarbeitern. ...  J. erklärte uns alles sehr interessant und ausführlich und wusste auf alle Fragen eine Antwort. ...  wirklich ein aussergewöhnliches Erlebnis."

So ein fleissiges Unternehmen mit so vielen fleissigen Mitarbeitern, das muss man einfach gern haben, da wächst über Nacht eine innige Beziehung, die man sich nicht vermiesen läßt durch lästige Krittler - vor allem, weil der Vorstands-Gesponst persönlich schließlich "auf alle Fragen eine Antwort" wusste.

Aber einer aus dem mittlerweile recht kleinen Volk der Selbsthelfer wagte es dennoch an der Sinnhaftigkeit des Vorstands-Ausflugs zu zweifeln. Ihm kam der Jubelbericht seines Vorstandes - nun ja: nicht gerade spanisch, aber irgendwie amerikanisch vor. Er wagte kritisch anzufragen, was das eigentlich solle? Das hätte er wohl besser nicht getan.

Die betriebsgeführten Vorständler (ein paar frühere Funktionäre des Vereins waren auch dabei) taten das, was Vereinsvorstände fast immer tun: Sie waren erst mal beleidigt ob der unverschämten Frage nach ihrem löblichen Tun. 

"Wir sind weit weit gelaufen, auch viele Treppenstufen, und haben über kilometerlange Regalreihen geschaut" wurde der freche Frager beschieden und überhaupt:  "interessant und zugleich anstrengend" war es. Andeutungen des hinterfragenden Vereinsuntertanen, dass Amazon ja nun nicht unbedingt den besten sozialen Ruf habe, wurden gleich mal richtig gestellt:

"Was wir dort erfahren und sehen konnten, war ein Großbetrieb, mit guten Nebenleistungen für die Beschäftigten. Und Zeitarbeit mit Leiharbeitnehmern ist heute nichts anrüchiges und unnormales mehr. Viele Firmen können nur so ihre Arbeit bewältigen" 

Merke: Nicht etwa die gerade noch hoch gelobten "fleißigen Mitarbeiter" bewältigen die Arbeit, sondern "die Firma".

Und weil es so erquicklich ist, endlich mal Nachhilfeunterricht in Sachen Soziales und Arbeitswelt aus berufenem Munde zu bekommen, gleich noch eine der Belehrungen, die dem armen Kerl, der  nur mal mit hoch gezogener Augenbraue keck nachgefragt hatte, zuteil wurde:

    Faule Gewerkschafter legen Brände ...   

" [Es] ist ...  mal interessant zu wissen was es alles gibt und die Amazon-geschichte mal mit anderen augen zu sehen als durch die aufgesetzte brille von verdi. Haben die eigentlich noch was anderes zu tun, als ganz deutschland an irgendeiner ecke anzuzünden?" 

Merke: Gewerkschaften sind  Brandstifter. Gut, dass der Parkinson-Selbsthelfervorstand das bei seiner Fortbildungsveranstaltung gelernt, tief verinnerlicht und jetzt seinen unwissenden Mitgliedern beigebracht hat.

Zum nun mal nicht weg zu leugnenden Thema der häufigen Streiks bei Amazon hat die - familiär übrigens auch über ihren Sohnemann mit dem Betrieb verbundene Vorsitzende natürlich auch die passende "Erklärung":

"Es gibt ein paar Leute die streiken, ja … die tragen sich in die Streikliste ein und sind dann verschwunden ...nach Hause, einfacher kommt man kaum an einen freien Tag, bezahlt natürlich." 

Merke: Gewerkschafter, die sich für ihre Interessen einsetzen sind nicht nur ganz gefährliche Zündelbuben, sondern auch noch stinkend faul. Hab ich's mir doch gedacht. Ihre flammende Ode, nicht an die Freude, sondern an die Amazon-Tugenden schließt die Selbsthelfer-Vorsitzende mit den fast klassischen Worten:

"Also ...   PRO Amazon und … VERDI geh heim!" 

Hier sei mir ausnahmsweise eine ganz persönliche Anmerkung meinerseits gestattet: Sollte sie die 68er Zeit und ihre Parolen meinen - dann hat sie da irgendwas  verwechselt. Ich komm aber noch drauf wenn ich tief in meine eigene zuweilen bewegte Vergangenheit abtauche ...

Wie nachhaltig die als kleiner Flirt der Parkinson-Selbsthelfer mit dem großen großen Ami- Konzern begonnene Liaison sich auswirkt, zeigt allerdings ein Diskussionsbeitrag, der mich ganz ehrlich erschreckte:

   Ein übler Duft von Pegida im Selbsthilfe-Vorstand?   

Ein Vorstandsmitglied schrieb allen Ernstes: 

"Man sollte nicht alles glauben was so  alles  in der Presse  liest"

"Lügenpresse"?  Wo lese  ich das neuerdings nur des öfteren? Wer gröhlt mit diesem Begriff unbequeme dem Stammtisch nicht beipflichtende Tatsachen nieder?

A propos Tatsachen: Amazon dürfte zu den größten und schamlosesten Steuerjongleuren gehören, die dem deutschen Staat und damit seinen Bürgern mit dreisten, wenn auch formal legalen Tricks Unsummen  vorenthalten haben. Jahrelang schaffte der Konzern es, durch Firmengründungen in Luxemburg  dort über zwei Milliarden US-Dollar steuerfrei anzusparen. Der Vorsteuergewinn in Deutschland betrug 2012 laut Presseberichten lediglich 10,2 Millionen Euro und die Steuern 3,2 Millionen Euro. Die in Luxemburg angesiedelte Amazon Europe Holding Technologies wies dagegen 2012 einen Gewinn von 118 Millionen Euro aus, entrichtete aber wegen der Luxemburger Steuergesetze dort keine Steuern. So macht man das, Herr Hoeneß.

   Datenschutz? Ach was   

Die Amazon Logistik GmbH in Bad Hersfeld und die Amazon Koblenz GmbH erhielten wegen Verstößen gegen geltendes Recht beim Datenschutz und im Arbeitsrecht Big Brother Awards 2015. Neben der Kritik an den vom bestehenden Arbeitsrecht losgelösten Beschäftigungsformen, die mit solchen Plattformen einhergehen, erfahren die Amazon-Unternehmungen besonderen Tadel für die Überwachung von Tastenanschlägen und Mausbewegungen der „digitalen Tagelöhner“ durch eine sogenannte Team-App.

Die Logistik-Töchter von Amazon.com in Bad Hersfeld und Koblenz verwenden in ihren Arbeitsverträgen Klauseln, die Persönlichkeitsrechte der Arbeitskräfte in punkto Datenschutz verletzen, z.B. dürfen Gesundheitsdaten zur "Verarbeitung" zum Mutterkonzern in die Vereinigten Staaten übermittelt werden. Verstoß gegen geltendes Arbeitsrecht ist die Verweigerung freier Arztwahl und die Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht, die Bewerber unterschreiben müssten.

Dass Amazon trotz wiederholter Streiks weiterhin seine Mitarbeiter nach den Lohntarifen in der Logistik-Branche bezahlt statt, wie gefordert Tarife wie im Einzelhandel abzuschließen, ist mittlerweile bekannt.

All das tut aber natürlich einer wahren Dreigroschen-Liebe wie der zwischen dem Versandhändler und den Parkinson-Selbsthelfern keinen Abbruch. Wer sich jetzt fragt, was ein mittelprächtiges Grüppchen, das ansonsten allenfalls durch regelmäßigen Zank bis aufs Messer nach dem Motto "Jede gegen Jeden" bekannt ist, mit einem erklärt gewerkschaftshassenden  Unternehmen, das mit alles andere als feinen Methoden mit Menschen umgeht wie mit programmierbaren Maschinen gemein hat - keine Ahnung. 

Offensichtlich sind ja eigentlich nur die familiären Bande der Vorsitzenden der Selbsthelfer mit dem Konzern. Reicht das schon für eine massive Kampagne mit Pegida-Untertönen durch die führenden Köpfe einer einstmals der Selbsthilfe verschriebenen Gruppe? 

Da frage ich mich dann doch ein wenig zwischen Hoffen und Bangen: Was passiert, wenn eines wunderschönen (oder schrecklichen) Tages jemand den Vereinsvorsitz der PaoL-"Selbsthelfer"übernimmt, der mehr oder weniger eng mit dem Pförtner des unter anderem für seine THS-Apparaturen bekannten Unternehmens medtronic verwandt ist - oder mit dem Papst?

Jos van Aken

Neulich auf Facebook ...


Kortison-Therapie bei Hörsturz: Keinerlei Effekt Nutzt mehr dem Arzt als den Patienten:Schon wieder ein IGel als allzu zu harmlos enttarnt

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Alle kennen ihn, alle mögen ihn (bis auf seine Lieblingsspeise, die Ringelwürmer): Der Igel ist ein stachliger Gesell, den wohl jeder gern hat. Die nur ein wenig anders geschriebenen IGeL dagegen sorgen immer wieder für Ärger. Es geht um die zwischen anbietenden Ärzten einerseits sowie Verbraucherschutz und kritischen Medizinern auf der anderen Seite kontrovers diskutierten "Individuellen Gesundheitsleistungen" (kurz IGeL). Einem solche IGeL, der angeblich zumindest für Milderung bei Hörsturz sogen sollte, wurde jetzt ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die von den Patienten aus eigener Tasche zu bezahlenden "Extras" werden immer wieder verdächtigt, neben dem Extra-Gewinn für den kassierenden Arzt kaum oder sogar keine Extras an gesundheitlichem Nutzen für die zahlenden Patienten zu bringen. Jetzt wurde wieder so ein(e) IGeL "enttarnt":


   Vorsichtig umschrieben: "Tendenziell negativ"  

Das bei vielen Erkrankungen nützliche Kortison zeige bei der als Selbstzahlerleistung angebotenen "systemischen Glukokortikoid-Gabe beim Hörsturz" keinerlei Effekt; zu diesem vernichtenden Urteil kommt der von den Medizinischen Diensten der Krankenkassen (MDS) herausgegebene IGeL- Monitor. Insgesamt bewertet der IGeL-Monitor "Glukokortikoide beim Hörsturz" deshalb als "tendenziell negativ".

Dieses Ergebnis der Untersuchungen der medizinischen Experten der gesetzlichen Krankenkassen dürfte für neuen Ärger bei Ärzten führen, die weiterhin pauschal behaupten, die Selbstzahlerleistungen seien sinnvoll. Der frühere Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, der Münchner Internist und Gastroenrologe Dr. Axel Munte, vertritt zum Beispiel vehement die Pro-IGeL-Meinung, dass die Gesetzliche Krankenversicherung überhaupt "keine Optimalversorgung gewährleisten“ könne. Die Ergänzung der von den Krankenkassen bezahlten ärztlichen Leistungen durch IGeL sei deshalb sinnvoll.


   Intransparent und entbehrlich   

Zu einer ganz anderen Einschätzung kommt dagegen der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin Johannes Köbberling. Er bezeichnet IGeL als „intransparentes Gemisch entbehrlicher Leistungen“, das "eine Medikalisierung und Überdiagnostik" fördere.

Der Verbraucherschützer Wolfgang Schuldzinski von der Verbraucherzentrale NRW nennt die meisten der Zusatzangebote entweder als „nicht zwingend erforderlich“, „schlicht überflüssig“ oder gar „medizinisch fragwürdig“. Aus Sicht der Verbraucherzentrale ist es besonders ärgerlich, wenn Ärzte sich das "Nein" des Verbrauchers zu einer IGeL schriftlich bestätigen lassen, angeblich um sich von Haftungsrisiken freizustellen.

Solche Formulare seien rechtlich nicht haltbar, indirekte Verkaufsstrategien und für Patienten mit erheblichem Druck verbunden. Der Verbraucherschützer warnt eindringlich davor, solche Formulare auch nur zu unterschreiben.


  "Angemessene Bedenkzeit"  

Mittlerweile hat zumindest die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als oberste Standesorganisation der niedergelassenen Ärzte zumindest eine gewisse Mäßigung der IGeL-Kollegen angemahnt. Nachdem zwei von der KBV in Auftrag gegebene Umfragen zum Ergebnis kam, dass Patienten sich durch die ihnen regelrecht "aufgedrängten" teuren IGeL-Angebote unter Zeitdruck überrumpelt fühlten, mahnte der KBV-Chef "mehr Zurückhaltung an. Andreas Köhler, der damalige Vorstandsvorsitzende der KBV, sprach sich nicht gegen das Selbstzahler-Modell mit dem Einkommensplus für seine Kollegen aus.

Unter dem nicht mehr zu leugnenden öffentlichen Druck riet er aber den IGeL anbietenden Ärzten, sie sollten ihren Patienten Gelegenheit geben, die Angebote gründlich zu prüfen. Dazu sei eine angemessene Bedenkzeit notwendig. Keinesfalls dürfe der Arzt darauf bestehen, dass der Patient sich gleich im Anschluss an die Untersuchung oder medizinische Beratung entscheiden muss. Ob die mahnenden Worte des Ex-KBV-Vorstandsvoritzenden Köhler Wirkung zeigten ist bisher nicht bekannt.

JvA

La Lierhaus und kein Ende Vom Kleinkind-Status auf 85 Prozent Leistung sind für Karrierefrau"kein Fortschritt": Ohne Operation "wäre mir vieles erspart geblieben"

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Bis zur Unkenntlichkeit retuschiert: Werbeplakat für den Honorar-Coup
Bericht und chronischLEBEN-Kommentar

"La Lierhaus" jammert - mal wieder oder immer noch. An sich nichts Neues - der nach einer misslungenen Operation schwer behinderte "Shooting-Star" im Sportjournalismus jammert seit sechs Jahren. Aber jetzt hat sie als echter Schlagzeilen-Junkie ihren persönlichen Rekord in Sachen Selbstmitleid unschlagbar gebrochen. Gegenüber der Medienagentur „Redaktions-Netzwerk Deutschland" antwortet sie auf die Frage, nach ihrem Befinden sechs Jahre nach der Operation, die ihr die Behinderung einbrachte, mit dem bemerkenswerten Satz: "Mir wäre vieles erspart geblieben" - wenn sie sich vor sechs Jahren nicht hätte operieren lassen. Deshalb würde sie sich nicht noch einmal operieren lassen.


Zur Erinnerung: Nach intensiver Reha-Arbeit nutzte Monica Lierhaus ihren Auftritt bei der Gala anlässlich der Verleihung der "Goldenen Kamera" (wofür?) im Jahr 2011 für einen atemberaubenden Angriff auf alle verfügbaren und produktiven Tränendrüsen des anwesenden Volkes vor den Fernseh-Bildschirmen: In einer an Peinlichkeit eigentlich nicht zu übertreffenden Rühr-Nummer machte sie in der Live-Sendung ihrem Lebensgefährten Rolf Hellgardt auf der Bühne einen Heiratsantrag.

Das Kalkül der karrieresüchtigen Lierhaus ging damals auf: Alle Lieschen Müllers der Nation überfluteten ihre Schneuztücher - und diesem öffentlichen Hype erlagen auch die Verantwortlichen der ARD-Fernsehlotterie: Monica Lierhaus, die aufgrund ihrer Behinderung körperlich nicjt in der Lage war, professionell vor die Fernsehkamera zu treten, erhielt einen durch nichts zu rechtfertigenden Vertrag als Vorzeige-Behinderte und Lotto-Fee - zu einem Honorar, das in keinerlei Verhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit stand: Inklusive - einem "Behinderten-Bonus kassierte sie ein Salär von einer satten halben Million EURO. Geliefert hat sie dafür einige wenige aufgrund ihrer Behinderung verständlicherweise unbeholfene ultrakurze Auftritte.

Für die Fernsehlotterie, deren Einnahmen der Behindertenarbeit zugute kommen sollen, ging der Lierhaus-Coup schief: Es hagelte Kündigungen von Los-Abonnements.

Ach so, die peinliche, als Heiratsantrag nur notdürftig camouflierte Show-Einlage stellte sich - wer hätte das gedacht? - als Show-Einlage heraus. Der Lebensgefährte dachte nicht im Traum daran, die Lierhaus vor den Standesbeamten, geschweige denn vor den Traualtar zu führen: Die beiden sind längst getrennt.

Aber die Lierhaus wäre nicht die Lierhaus, wenn sie ihre peinliche Aktion auch im Nachhinein noch mit einem Heiligenschein blankpolieren würde: "Ich wollte Rolf etwas zurückgeben, weil er so wahnsinnig viel für mich getan hatte", wird sie heute in einem Bericht des Magazins "Focus" zitiert. Und auch hier stellt sie sich wieder als eine Art "Opfer" dar: Das würde sie heute heute nie wieder machen. "Falsche Zeit, falscher Ort. Das weiß ich jetzt auch."

Nach vier Monaten im Koma sei sie „auf dem Stand eines Kleinkindes" gewesen, sagt die 45-Jährige im Interview mit dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland". Heute sei sie wieder "bei 85 Prozent". Und behauptet: "Ich merke keine Fortschritte". Sie begründet diese atemberaubende Aussage damit, dass "ihre Gangart sie nach wie vor sehr nervt".

Jos van Aken


chronischLEBEN-Kommentar:
Wer laut genug jammert,
bekommt zumindest Schlagzeilen

Behinderte Menschen sind nicht besser oder schlechter als alle anderen. Und wenn Prominente mit einer Behinderung leben, dann hat das, was sie in Sachen Behinderung sagen, zwar auch nicht mehr Wert als die Äußerungen von uns Behinderten, die sich nicht im "Blitzlichtgewitter sonnen"; nur: diese Äußerungen, sie mögen klug oder dumm sein, bekommen ein kaum messbares mediales Gewicht.

Das weiß die frühere Sportjournalistin Monica Lierhaus; zumindest spricht nichts dafür, dass die misslungene Operation, die Teile ihres Gehirns schwer geschädigt hat, ihr den Verstand genommen hat. Im Gegenteil: Sie hat mit sehr intelligenter Berechnung ihre Karriere auch nach Eintreten der Behinderung geplant und betrieben. Dass diese Bemühungen - bis auf den Coup bei der Fernsehlotterie - erfolglos blieben - so what. Das geht tausenden behinderten Menschen auch so - mit wesentlich einschneidenderen Folgen für ihre materielle Existenz.

Auch für La Lierhaus gilt: Sie ist aufgrund und mit ihrer Behinderung kein besserer oder schlechterer Mensch. Und ob sie ein "guter" oder weniger guter Mensch ist: Darüber steht mir ebenso wenig wie anderen ein Urteil zu.

Ihr Selbstsicht als behinderter Mensch ist alerdings ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die bei allen Einschränkungen positiv und konstruktiv leben und dafür kämpfen, die immer noch bestehenden Barrieren in vielerlei Hinsicht weg zu räumen. Die Lierhaus jammert - Nur und immer.

Aber Monica Lierhaus schädigt das Bild, das Image aller behinderten Menschen. Wir Behinderte sind aber im Gegensatz zu ihren dummen von Selbstmitleid gesteuerten Statements keine bedauernswerte Geschöpfe. Wir brauchen kein Mitleid. Wir wollen unsere Rechte - aber die scheinen der materiell offensichtlich sehr weich gebetteten Lierhaus egal zu sein.

Aber - auch das sollte erwähnt werden: Es gibt auch andere Prominente, die im krassen, aber wohltuenden Gegensatz zu der Lierhaus, mit ihrer Behinderung leben statt darüber zu jammern. Natürlich meine ich die unverwüstliche Gabriele "Gaby" Wilhelmine Köster. Gaby Köster jammert nicht - sie lebt.

Jos van Aken

Behinderten-Angst vor Übergriffen Sensationsmeldungen und der reale Alltag am Rollator und im RollstuhlEs gibt mehr tagtäglich viel mehr "Helden des Alltags" als böse Buben

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Immer wieder ist in Facebook-Gruppen, Blogs und Internet-Foren zu lesen, dass Behinderte diskriminiert oder gar misshandelt werden, wenn sie sich zum Beispiel mit dem Rollator oder im Rollstuhl in die Öffentlichkeit begeben. Diskriminierung und Übergriffe gibt es, soweit stimmt das leider - behinderte Menschen sind (meist) "leichte Beute, wenn es darum geht, einen "Underdog", gerade verfügbaren Prügelknaben oder das ersehnte leicht zu überwältigende Objekt eines Raubüberfalls zu finden. Aber - etwas stört mich gewaltig bei der Vielzahl der im Einzelfall gewiss berechtigten Sensationsberichte nach dem Muster "Jugendliche mit osteuropäischem Akzent hauen alte Rollstuhl-Oma": Es wird - gewollt oder auch nicht - der Eindruck erweckt, solche üblen Geschehnisse seien Behinderten-Alltag. Und das stimmt nicht.

Ich selbst bin infolge einer Parkinson- Erkrankung seit sechs Jahren täglich als behinderter Mensch in der Öffentlichkeit unterwegs - zunächst mit dem Rollator als unübersehbare Gehhilfe, seit einem Jahr im Rollstuhl. Und - als nicht untypisches mentales Symptom "meiner " Krankheit mit depressiven Episoden - habe ich zudem unverhältnismäßig starke Ängste und Unsicherheiten entwickelt.

   Auch unsere irrationalen Ängst sind real - aber meist grundlos   

Diese grundlosen und irrationalen Ängste habe ich relativ schnell gelernt zwar nicht ganz und gar zu überwinden, sie aber für Außenstehende, die mich nicht sehr gut kennen, nach außen hin nicht sicht- oder spürbar werden zu lassen, wenn so eine Angstattacke mal wieder auftaucht (übrigens natürlich immer dann, wenn man sie am wenigsten gebrauchen kann - aber wann kann man das schon gebrauchen?).

Aber so ganz spurlos sind die Ängste, die nicht nur mir, sondern vielen behinderten Menschen zu schaffen machen, doch nicht geblieben, auch bei mir persönlich nicht - und sie lassen sich durchaus rational begründen: Als mittlerweile relativ stark Gehbehinderter, noch dazu in ständiger Sitzposition im schon sehr reifen Alter von 68, hätte ich wohl kaum eine realistische Chance, mich einer Horde kräftiger und durchgeknallter junger Männer (oder auch Frauen) zu erwehren. Aber ehrlich gesagt ist es zumindest ein wenig übervorsichtig, dass ich einen Riesenbogen um eine Ansammlung mehr oder wenig stimmgewaltiger und sangeslustiger Menschen mit Bierflaschen in den Händen mache.

All das mal vorausgesetzt darf ich nach sechs Jahren alltäglichen Lebens in der Öffentlichkeit mit Behinderung und Hilfsmitteln dennoch feststellen:


   Hilfe ist immer gut gemeint - aber nicht immer nötig und hilfreich   

Ich habe bisher ausschließlich positive Erfahrungen mit Passanten gemacht. Natürlich passiert es auch mir, dass ein allzu diensteifriger und hilfsbereiter Busfahrer mich und meinen Rollstuhl ungefragt ankippt und in den Bus ohne Rampe schieben will; ich mag das nicht - und übrigens funktioniert es überhaupt nicht bei eingeschaltetem e-fix-Zusatzantrieb, wenn ich den Joystick in Ruhe lasse (weil die Räder dann blockiert sind). Ich könnte mich über das genau genommen übergriffige und entmündigende Verhalten aufregen - aber ich erkläre lieber freundlich, dass ich das nicht möchte - und warum es sinnlos ist - wenn ich gerade besonders schlechte Laune habe, knurre ich den armen Fahrer mit einem "nice try" an.

Mir ist ansonsten aufgefallen, dass Menschen aller Altersstufen hilfsbereit sind - wenn auch wie erwähnt zuweilen für meinen Geschmack übertrieben. Und: Es gibt eine Gruppe von Menschen, die ich als besonders aufmerksam erlebe: Junge Menschen mit sichtbar "ausländischem" Hintergrund (die hauen eben NICHT ständig alten Leuten auf den Kopp!)

Gestern hatte ich ein besonderes Erlebnis: Nach nur vier Wochen waren die neuen, nach wie vor viel zu schmalen 6-Zoll-Lenkräder meines Rollstuhls schon wieder "hinüber" (die ersten hatten immerhin 8 Monate gehalten). Natürlich passierte, was passieren musste: Ich rollte auf nicht optimal verlegten Gehplatten am Braunschweiger Dom entlang, und da hüpfte mir der Vollgummireifen des linken Lenkrads komplett von der defekten Felge (wie gesagt: Nach VIER Wochen normaler Fahrten).

   Rettender Engel bei Rollstuhl-GAU - und nicht mal in Gelb ...   

Diese kleine Ursache gehört zu den "worst cases" im Umgang mit dem rollenden - oder dann eben nicht mehr rollenden und schon gar nicht lenkbaren Stuhl auf nunmehr drei statt vier Rädern. Wäre der Rollstuhl ein Atomkraftwerk, würden besonders sensible Naturelle vom GAU reden, dem Größten Anzunehmenden Unfall. Wer schon mal versucht hat, einen mit einem Durchmesser von 6 Zoll relativ kleinen Vollgummireifen ohne Kraft in den Händen und ohne Werkzeug in die Felge zurück zu befördern, ahnt zumindest, was ich damit meine.

Ich saß also wie ein 1,80 Meter kleines Häuflein Elend neben meinem Rollstuhl, fummelte sinn- und hilflos am Vollgummi rum und versuchte, einen dennoch souveränen Eindruck zu machen.

Ob es die christliche Ausstrahlung des Doms neben mir war oder einfach ein mir wohlgesonnenes Schicksal: Nach nicht einmal einer Minute stand plötzlich eine Gruppe offensichtlicher Touristen um mich herum - nicht etwa aus Schaulust - , und ein Mann fragte, ob und wie er denn helfen könnte.

Wie sich herausstellte, war mir ein professioneller Mechaniker zu Hilfe gekommen - mit Händen, die zupacken können. Innerhalb einer weiteren halben Minute hatte er den Reifen wieder dahin geschubst, wohin er gehörte - und ich konnte bis zur Sanitätshaus-Werkstatt rollen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Und diese kleine Episode ist nicht etwa ein besonders herausragendes Erlebnis, das es wert wäre, in einschlägigen Magazinen als wundersame Begebenheit mit einem Heiligenschein verziert zu werden Aber es gibt sie ganz real und immer wieder: Die Helfen des Alltags - und die können in Gestalt des bodenständigen deutsche Handwerkers zu Hilfe kommen oder als gerade angekommener Flüchtling aus Syrien oder Nordafrika (oder sonst woher).

Die kleinen und großen Hilfen erlebe ich Tag für Tag - sei es, dass mir wildfremde Menschen lächelnd die sauschweren Schwingtüren im Einkaufszentrum offen halten, sei es, dass mir ein Passant zu Hilfe eilt, wenn ich eine Bordsteinkante falsch einschätze und auf der viel befahrenen Straße bei längst wieder roter Fußgängerampel keine Zeit bleibt, den Rollstuhl zu drehen, um mit den großen Rädern rückwärts auf den sicheren Gehweg zu klettern.

Ach ja: Auf den Kopp (oder sonst wohin) hat mich in diesen sechs Jahren noch kein Mensch (welcher Herkunft auch immer) - und im Grunde meines Herzens weiß ich ja auch, dass die mehr laut als musikalisch tönenden Grüppchen mit Bierflaschen in den Händen zu 99,9 Prozent ganz friedfertige Fußballfans sind, die an der Straßenbahnhaltestelle stehen und auf die Tram zum Stadion warten. Das schlimmste, was mir mit denen passieren könnte, wäre, dass sie mich gutmütig auf ein Bier einladen (leider haben sie mit Sicherheit kein alkoholfreies im Angebot).

  Vorsichtig sein statt überängstlich - und: Konsequent gegen jede Gewalt   

Andererseits: Es gibt Gewalt in der Gesellschaft , in der und mit der wir leben. Und Tatsache bleibt auch, dass die Schwächeren am leichtesten Opfer von Gewalt werden - sei es die Frau oder das Kind in der häuslichen Umgebung, seien es Flüchtlinge, denen dumme hohlköpfige Nazis die kargen Notunterkünfte abbrennen - oder eben auch der behinderte alte Mann, der erst kürzlich in unserer weiteren Nachbarschaft monatelang von zwei Jugendlichen gedemütigt und misshandelt wurde.

Meine Meinung: Wir sollten nicht überängstlich werden - aber gerade als wenig "wehrhafte" Behinderte uns auch nicht in Situationen begeben, in denen wir leicht zum Opfer werden. Und: Gerade wir als potentielle Opfer sollten alles unterstützen, was dazu beiträgt, dass Gewalt nicht endgültig u d dauerhaft zum Alltag wird.

Jos van Aken

Frau L., der Sauerkohl und die Witwe B."Am besten einfach gar nich' ignorier'n, die Deern..."

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Ich kann es drehen und wenden wie ich will. Ich kann die unendliche Geschichte mit dem Titel "Frau L. geht es gar nicht gut" von allen nur verfügbaren Seiten, aus jeglicher Perspektive beäugen - mit so viel Empathie, wie mir zur Verfügung steht, oder auch mit nüchterner Skepsis: Ich komme immer wieder zum gleichen Ergebnis: Frau L. hat genau das erreicht, was sie wollte - sie, genauer gesagt das grauselige Schicksal, das sie nach eigener Einschätzung immer noch zu 15 Prozent plagt und quält, ist endlich wieder in aller Munde.

Es wurde aber auch Zeit: Von der herzzerreißenden Nötigung ihres zeitweisen Verlobten zum Live-Ja sprach schon lange kein Aas mehr. Immerhin: Dieser Geniestreich ließ wahrscheinlich sogar Herrn Pflaume, den alternden TV-Kuppler und Versöhner, unter der allglatten Sunnyboy-Maske blass werden vor Neid.

Aber auch all diese unbequemen krittelnden, gewiss von Sozialneid gesteuerten Fragereien wegen des halben Milliönchens, die sie den Fernsehlotteristen und den ARD-Großkopferten aus dem Portepee verhandelte, ohne in die Verlegenheit zu kommen, auch die auch nur annähernde entsprechende Leistung für das ganz nette Honorar liefern zu müssen, war verstummt. Statt dessen war eine gleichgültige und damit nicht wirklich schlagzeilen-taugliche Ruhe eingekehrt. Eine L.-lose Medienwelt, das ging ja nun gar nicht.

Zur Erinnerung: So richtig arbeiten bis auf ein paar wegen der Behinderung unbeholfene Sätze ging ja nun mal nicht, bei all den täglichen, ach so schmerzlichen Therapien - und außerdem fühlte sie sich wahrscheinlich ja tatsächlich nicht in der Lage, wirklich was zu tun fürs Geld - geschenkt: Die meisten von uns wissen durchaus, wie das ist.

Wir bösen Kritiker langweilten uns irgendwann nur noch, hatten wohl auch besseres zu tun als uns mit den Befindlichkeiten einer Selbstdarstellerin zu befassen - was kann einem sich mitsamt seinem Schicksal und Elend vermarktenden Menschen Übleres zustossen als irgendwann einfach nicht weiter beachtet zu werden. Bad News sind bekanntlich Good News - und die besten News sind immer noch harsche Kritiken. Frau L. konnte und kann sich darauf verlassen, dass ein möglichst schlechter Ruf allemal nützlicher ist fürs Ego und fürs Geschäft als gar kein Ruf.

   ...so sicher wie die nokturne Atemnot der Helene F.   

So ein richtig gründlicher Verriss hat nämlich eins so gut wie sicher zur Folge: Den dann über die Leser- Hörer- und Zuschauerschaft hereinbrechenden, alle rationalen Überlegungen niederwalzenden Flausch- und Lovestorm der getreuen Fangemeinde. Der kommt so sicher wie die nokturne Atemnot einer gewissen Helene F.

Irgendwie bin ich aber von dem durchaus nicht ungeschickt inszenierten neuen Kapitel in der L.-Story eigentlich enttäuscht. Nur gut, dass es niemand bemerkt hat, dass uns da der gute alte Sauerkohl aufgetischt wurde, von dem schon Buschs Witwe Bolte besonders schwärmt, "wenn er wieder aufgewärmt". Wer sich das neue Aufreger-Interview der L. mal aufmerksam zu Gemüte führt, den die nach sechs Jahren Behinderung und 85 Prozent Aufholjagd wie in schlechten alten Zeiten über ihre Gangart jammernde L. einer bis dato eher unbekannten kleinen Nachrichtenagentur gab - und dann mal zurück blättert in der Geschichte der L. sowie den O-Tönen, die sie damals von sich gab, wird feststellen: Sie sagt heute - nach besagten sechs Jahren und 85 Prozent Wiederherstellung, die für L. natürlich "kein Fortschritt" sind, nicht anderes als in den Anfangszeiten der damals wirklich schweren Behinderung, die an niemandem abperlt wie ein warmer Sommerregen.

   Behinderten-Bilder in die schlichten Gemüter fräsen ...   

Nur: Der Sauerkohl der Frau L. wurde von ihr aufgewärmt wieder und wieder. Neu ist allenfalls, dass sie - ihrer, schlichtere Gemüter stark prägenden Prominenten-Rolle durchaus bewusst - nicht nur Blödzeitungslesern und RTL-Junkies ein Bild von behinderten Menschen um die Ohren und in die Hirne haut, dass übler kaum sein kann. Warum?

Weil es in ihr Kalkül passt. Ihre PR-Rechnung, die - dank unserer kritischen als Katalysator hoch wirksamen Mitwirkung - voll aufgegangen ist, zeigt es.

Glauben Sie nicht? Dann lesen und lauschen Sie mal dem Sturm der Entrüstung, der nicht etwa der L. entgegen blies, sondern unsere kleine Handvoll von Kritikern, die der L. und ihrem Selbstdarsteller-Feldzug letztlich blindlings ins Messer gelaufen sind, voll traf.

Was lernen wir daraus? Wenn die L. mal wieder dummes Zeugs über uns Behinderte absondert und geradezu nach einer medialen Watsch'n lechzt - dann sollten wir es wie mein alter Nachbar, der Bauern Krischan halten. Der pflegte in solchen Fällen, sprachlich zwar nicht ganz korrekt, aber irgendwie trefflich zu sagen: "Gar nich' ignorier'n, die Deern, gar nich' ignorier'n"

Jos van Aken

Nicht nur jammern: Wo Schatten ist, ist auch Licht

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In der zur Zeit regen Diskussion über die Selbstdarstellung der nach eigener Einschätzung zu 85 Prozent wieder "hergestellten" Ex-Sportjournalistin Monica Lierhaus, die behauptet, sie könne "keine Fortschritte" bei ihrer gesundheitlichen Rehabilitation feststellen, wird unter anderem auch das "Recht auf das Jammern" postuliert.

Ich stimme dem ausdrücklich zu. Wer aber - wie Monica L. - öffentlichkeitswirksam ein Bild von behinderten Menschen zeichnet, das ausschließlich von Elend und Leid gekennzeichnet ist und letztlich die Botschaft verbreitet, das Leben mit Behinderung sei "lebensunwert", sollte sich vielleicht doch Gedanken über den Sinn und die Werte des Lebens machen.

Jos van Aken
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